Die Kreuzzüge
überragte. Taille und Hüften waren schlank, er hatte breite Schultern und eine breite Brust, seine Arme waren stark. [. . .] Die Haut war am ganzen Körper sehr weiß, außer in seinem Gesicht, da war sie weiß und rot. Sein Haar war hellbraun und nicht so lang wie das der anderen Barbaren (es hing ihm also nicht bis auf die Schultern herab). [. . .] Seine Augen waren leuchtend blau und kündeten vom Geist und von der Würde dieses Mannes. [. . .] Er hatte einen bestimmten Zauber, doch sein Anblick strahlte auch etwas Wildes aus, was, so nehme ich an, an seiner Körpergröße und an seinen Augen lag; sogar sein Lachen klang für manche wie eine Drohung.
Doch auch wenn sein Auftreten an das eines Löwen erinnerte, so fehlte Bohemund doch etwas Entscheidendes: Er hatte kein Vermögen, denn 1085 war er von seinem habgierigen Halbbruder enterbt worden. Er nahm das Kreuz im Sommer 1096 also durchaus auch aus handfesten materiellen Interessen und schielte mit zumindest einem Auge auf eine Verbesserung seiner privaten Situation; wahrscheinlich träumte er davon, sich in der Levante ein neues eigenes Herrschaftsgebiet zu erobern. Bohemund wurde von seinem Neffen Tankred von Hauteville begleitet. Dieser war gerade 20 Jahre alt und hatte kaum Kriegserfahrung, doch war er besessen von unstillbarem Handlungsdrang (und konnte offensichtlich arabisch sprechen), und er übernahm sehr bald den Posten eines zweiten Befehlshabers über das relativ kleine, doch gefürchtete Heer süditalienischer Normannen, die Bohemund in den Orient folgten. Später stieg Tankred zu einem der berühmtesten Repräsentanten des Kreuzzugs auf. 10
[58] Die führenden südfranzösischen und italienisch-normannischen Kreuzfahrer waren sämtlich Anhänger der päpstlichen Reformbewegung, doch nach 1095 schlossen sich dem Zug nach Jerusalem auch einige der erbittertsten Feinde des Papstes an, darunter Gottfried von Bouillon aus Lothringen. Er wurde um das Jahr 1060 als zweiter Sohn des Grafen von Boulogne geboren und konnte seinen Stammbaum bis auf Karl den Großen zurückführen (eine spätere Legende erzählt gar, er sei von einem Schwan geboren). Es hieß, er sei »größer als gewöhnliche Männer [. . .] unvergleichlich stark, mit muskulösen Gliedmaßen und kräftiger Brust, einem einnehmenden Äußeren sowie mittelblonden Haaren und Bart«. Gottfried hatte den Titel eines Grafen von Niederlothringen geerbt, war aber nicht in der Lage, seine Herrschaft über diese notorisch unruhige Region zu festigen. Wahrscheinlich nahm er das Kreuz, um im Heiligen Land ein neues Leben anzufangen. Obwohl ihm nachgesagt wurde, dass er kirchliches Eigentum geplündert habe, und trotz seiner beschränkten militärischen Erfahrungen bewies er in den folgenden Jahren unerschütterliche Treue zum Kreuzzugsideal und eine Begabung für nüchtern-klarsichtige Befehlsführung.
Gottfried führte einen losen Zusammenschluss von Truppen aus Lothringen, den Niederlanden und dem Rheinland an und wurde von seinem Bruder, Balduin von Boulogne, begleitet. Dieser soll dunklere Haare, jedoch eine blassere Haut als Gottfried und einen durchdringenden Blick gehabt haben. Wie Tankred gewann er während des Kreuzzugs immer deutlichere Konturen, er bewies im Kampf unbeirrbare Hartnäckigkeit und war in seinem Drang weiterzuziehen kaum aufzuhalten.
Diese fünf Fürsten – Raimund von Toulouse, Bohemund von Tarent, Gottfried von Bouillon, Tankred von Hauteville und Balduin von Boulogne – spielten im Feldzug zur Rückeroberung Jerusalems Schlüsselrollen, sie hatten das Oberkommando über drei der bedeutendsten fränkischen Heere und prägten die frühe Geschichte der Kreuzzüge. Ein viertes, letztes Kontingent aus der Normandie schloss sich der Unternehmung ebenfalls an. Dieses Heer wurde befehligt von drei Adligen, die durch verwandtschaftliche Beziehungen eng verbunden waren: dem einflussreichen Robert, Herzog der Normandie, ältester Sohn Wilhelms des Eroberers und Bruder von Wilhelm Rufus, König von England; Roberts Schwager Stephan, Graf von Blois; und seinem Vetter Robert II., Graf von Flandern.
[59] Für diese Potentaten, ihr Gefolge und möglicherweise auch für die ärmeren Schichten war der Akt, sich dem Kreuzzug anzuschließen, mit einer dramatischen und häufig sehr ergreifenden Zeremonie verbunden. Jeder potentielle Teilnehmer legte ein Kreuzzugsgelübde ab, die Pilgerfahrt nach Jerusalem zu unternehmen, ähnlich dem für eine friedliche Pilgerfahrt, anschließend
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