Die Kreuzzüge
brachte man den neu erworbenen Status dadurch zum Ausdruck, dass ein Kreuz auf die Kleidung genäht wurde. Als Bohemund von Tarent den Ruf zu den Waffen vernahm, reagierte er offenbar sehr spontan: »Inspiriert vom Heiligen Geist befahl er, seinen kostbarsten Mantel unverzüglich zu zerschneiden und Kreuze daraus herzustellen, und die meisten Ritter schlossen sich ihm sofort an, so voller Enthusiasmus waren sie.«
Diese Identifizierung durch ein sichtbares Symbol diente wahrscheinlich dazu, die Kreuzfahrer als eine Gruppe kenntlich zu machen, und das Pilgergelübde verschaffte ihnen zweifellos mehrere Schutzmaßnahmen für ihr Eigentum und ihr leibliches Wohlergehen. Die zeitgenössischen Schilderungen dieser Gelöbnis-Akte neigen dazu, die spirituelle Motivation zu stark zu betonen. Man könnte diese Zeugnisse anzweifeln, wurden sie doch in den meisten Fällen von kirchlichen Amtsträgern verfasst, aber sie werden durch eine Vielzahl von Rechtsdokumenten gestützt, die Personen erstellten oder erstellen ließen, die vor ihrem Aufbruch nach Jerusalem ihre Angelegenheiten ordnen wollten. Dieses Material scheint zu bestätigen, dass viele Kreuzfahrer ihr Unterfangen tatsächlich als einen Akt der Frömmigkeit ansahen. Bertrand von Moncontour etwa fühlte sich so inspiriert, dass er beschloss, auf Ländereien zu verzichten, die er einem Kloster in Vendôme bis dahin widerrechtlich vorenthalten hatte, weil »er glaubte, dass der Passionsweg [der Kreuzzug] ihm keinerlei Nutzen bringen werde, solange er sich im Besitz dieses Diebesguts befand«.
Die überlieferten Dokumente sprechen außerdem von einer Atmosphäre von Angst und Selbstaufopferung. Zukünftige Kreuzfahrer waren offenbar tief besorgt angesichts der langen, gefährlichen Reise, zu der sie aufbrachen, doch gleichzeitig bereit, fast ihren ganzen Besitz zu verkaufen, um ihre Teilnahme zu finanzieren. Sogar Robert von der Normandie war gezwungen, sein Herzogtum an seinen Bruder zu verpfänden. Der einst verbreitete Mythos, die Kreuzfahrer seien eigennützige, landhungrige jüngere Söhne ohne eigenes Erbteil gewesen, ist nicht haltbar. Die [60] Teilnahme an einem Kreuzzug war vielmehr ein Unternehmen, das geistlichen und materiellen Lohn einbringen konnte, zu Beginn jedoch vor allem furchterregend und extrem kostspielig war. Es war Frömmigkeit, die die Europäer zu den Kreuzzügen inspirierte, und in den langen Jahren, die vor ihnen lagen, bewiesen die ersten Kreuzfahrer immer wieder aufs Neue, dass ihre mächtigste Waffe die Ausrichtung auf ein gemeinsames Ziel und ein unerschütterliches Gottvertrauen war. 11
BYZANZ
Ab November 1096 begannen die bedeutendsten Heere des ersten Kreuzzugs in der großen Stadt Konstantinopel (dem heutigen Istanbul) einzutreffen, dem alten Tor zum Orient. Während der folgenden sechs Monate bewegten sich die verschiedenen Kontingente des Zuges auf ihrem Weg nach Kleinasien an die Grenze zur muslimischen Welt durch das Byzantinische Reich. Seine Hauptstadt Konstantinopel bot sich aufgrund ihrer Lage als Ort an, wo sich die diversen Truppenteile des Kreuzzugs sammeln konnten, denn einerseits lag sie an der traditionellen Pilgerroute ins Heilige Land, andererseits waren die Franken ja mit der erklärten Absicht in den Osten aufgebrochen, ihren griechischen Glaubensbrüdern beizustehen.
Die Absichten des Kaisers
Der byzantinische Kaiser Alexios I. Komnenos war bereits Zeuge des chaotischen Zusammenbruchs des Volkskreuzzugs geworden, und es wird üblicherweise so dargestellt, dass er die Ankunft des eigentlichen Kreuzzugs mit der gleichen argwöhnischen Geringschätzung beobachtet habe. Seine Tochter und Biographin Anna Komnena schrieb, Alexios habe »[die Ankunft der Franken] gefürchtet, weil er ihr unbeherrschtes Temperament, ihren Wankelmut und ihre Unentschlossenheit kannte, ganz zu schweigen von ihrer Habgier«. An anderer Stelle bezeichnet sie die Kreuzfahrer als »all diese Barbaren aus dem Westen«; besonders vernichtend ist ihr Urteil über Bohemund als einen »gewohnheitsmäßigen Gauner«, der »durch und durch verlogen« war. Ausgehend von dieser Schmäh-Rhetorik meinten Historiker häufig, die frühen griechisch-lateinischen [61] Begegnungen der Jahre 1096/1097 seien vergiftet gewesen von tief sitzendem Misstrauen und alter Feindseligkeit. Allerdings waren zwischen den beschriebenen Ereignissen und dem Bericht der Kaisertochter mehrere Jahrzehnte vergangen; ihre Aufzeichnungen sind also deutlich beeinflusst von dem,
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