Die Kreuzzüge
Zinnen stiegen und »immer wieder mit lauter Stimme riefen: [. . .] ›Euer Kaiser ist ersoffen.‹« Trotzdem entsandte der Sultan noch bis zum 14. Juli 1190 Truppen zur Verteidigung Syriens, und erst im Frühherbst zog er wieder alle seine Streitkräfte in Akkon zusammen. Obwohl also der Tod des Kaisers dem deutschen Kreuzzug schweren Schaden zugefügt hatte, verlor auch Saladin in jenem Sommer entscheidende militärische Ressourcen. Friedrich von Schwaben traf dann Anfang Oktober 1190 zusammen mit ungefähr 5000 Mann in Akkon ein. Saladin scheint erwartet zu haben, dass die Ankunft der Deutschen trotz ihrer herben Verluste den Belagerern neuen Auftrieb geben würde, aber in Wirklichkeit wurde die Sache der Franken dadurch kaum befördert. 25
STILLSTAND
In einer Hinsicht war die Kampfsaison von 1190 für Saladin ein Erfolg. Akkon hatte jeden lateinischen Angriff abgewehrt, die Garnison hatte sich sämtlichen fränkischen Experimenten mit neuen Kriegsmaschinen gewachsen gezeigt. Dem Sultan war es, wenn auch mit gewissen Mühen, gelungen, die Nachrichten- und Versorgungskanäle zur Stadt offen zu halten, während seine eigenen Truppen die belagernden Kreuzfahrer [456] drangsalierten und ablenkten. Nach zwölf Monaten Belagerung war Akkon noch immer nicht bezwungen.
Betrachtet man aber die Lage in einem größeren Zusammenhang, dann war Saladin gescheitert. Er war gezwungen, seine Truppen aufzuteilen, um sich der vorweggenommenen Bedrohung durch den deutschen Kreuzzug in den Weg zu stellen, daher hatte er nicht genügend Truppen, um in Akkon die Initiative zu ergreifen. Wenn ihm seine gesamte Streitmacht zur Verfügung gestanden hätte, dann hätte er in jenem Sommer einen konzentrierten Angriff auf die fränkischen Stellungen unternehmen und danach die Kreuzfahrer aus Palästina vertreiben können. Als Saladin dann seine Truppen Anfang Oktober wieder in Akkon zusammengezogen hatte, scheint er jedoch zu dem Schluss gekommen zu sein, dass zumindest für den Augenblick die Gelegenheit zu einem forcierten Vorgehen verpasst war. Die Lage wurde noch erschwert durch den Ausbruch eines »Brechfiebers«, weshalb Saladin Mitte Oktober sein Heer in ein ungefähr 15 Kilometer südöstlich gelegenes Winterlager bei Saffaram zurückzog. Damit war die Kampfsaison effektiv beendet. Saladins Optimismus war merklich gedämpft: Er ordnete die Schleifung von Cäsarea, Arsuf und Jaffa an – der Schlüsselhäfen südlich von Akkon – und befahl sogar den Abbruch der Mauern von Tiberias. In den folgenden Monaten hatte Saladin große Mühe, sein Heer zusammenzuhalten. Einige, wie etwa die Herren von Dschazirat und Sindschar, baten wiederholt, in ihre Länder zurückkehren zu dürfen; andere, darunter Kukburi, erhielten den Auftrag, sich um die vernachlässigten Interessen des Sultans in Mesopotamien zu kümmern, standen also für den Dschihad nicht mehr zur Verfügung. 26
Saladin zog sich genau wie im Jahr zuvor von der Front zurück und verließ sich wieder darauf, dass die unbarmherzige Natur den Feind entscheidend schwächen würde; er konnte abwarten, ob die Kreuzfahrer noch einen zweiten Winter in der Bedrängnis ihrer Belagerungsposition vor Akkon durchhalten würden. Es dauerte nicht lang, bis der Wechsel der Jahreszeiten sein grimmiges Gesicht zeigte. Wie schon im Jahr zuvor endete mit dem Herbst auch die Möglichkeit, zu Schiff längere Strecken zurückzulegen, womit das fränkische Heer faktisch wieder isoliert war. Schon im November wurden im Lager der Kreuzfahrer die Lebensmittel knapp, was sie zu einem Beutezug zur Nahrungsbeschaffung in Richtung Süden nach Haifa veranlasste, doch schon nach zwei Tagen waren sie zurückgeschlagen.
[457] Torturen
Ende November entließ Saladin sein Heer endlich in die Winterpause; wieder blieb er selbst mit nur einer kleinen Streitmacht zurück, um die Situation in Akkon im Auge zu behalten, während »das Meer stürmisch wurde und unablässig heftiger Regen fiel«. Für die Muslime waren die folgenden Monate viel unwirtlicher und beschwerlicher als der Winter zuvor. Die Garnison der Stadt verriet Anzeichen von Schwäche, aber auch Saladin und seine Truppen waren erschöpft und verdrossen. Der Nachschub traf nicht mehr regelmäßig ein, die Nahrungsmittel wurden knapp, und es wurden auch nicht genügend Waffen nachgeliefert; außerdem gab es für die vielen Kranken zu wenige Ärzte. »Der Islam bittet um Eure Unterstützung«, schrieb der Sultan in einem flehentlichen Brief an den
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