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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Kalifen, »wie ein Ertrinkender, der um Hilfe ruft.« Und dabei waren diese Probleme lediglich ein blasser Widerschein der Qualen, unter denen die Kreuzfahrer litten. Ein muslimischer Augenzeuge bestätigte: »Die Ebene [vor Akkon] wurde zu einem äußerst ungesunden Ort« und »das Meer war ihnen verschlossen«, deshalb »war die Sterblichkeit unter den Feinden sehr hoch«; 100 – 200 Männer starben täglich.
    Schon für Außenstehende waren die Leiden der Lateiner offensichtlich, aber die Innenperspektive auf das Lager der Christen war noch um einiges schlimmer. Die Kreuzfahrer waren völlig von der Außenwelt abgeschnitten, die Nahrungsvorräte waren also irgendwann erschöpft. Ende Dezember zogen die Männer »edlen Pferden« die Haut ab und aßen mit Genuss ihr Fleisch und ihre Eingeweide. Als der Hunger schlimmer wurde, schrieb ein Kreuzfahrer, dass es etliche gab,
    die wegen des Hungers ihr gesamtes Schamgefühl verloren hatten; sie ernährten sich vor aller Augen von unsäglicher Nahrung, die sie gerade fanden, egal wie schmutzig sie war, Dinge, von denen man nicht sprechen sollte. Ihre entsetzlichen Mäuler verschlangen, was Menschen nicht essen dürfen, als wäre es eine Köstlichkeit.
    Möglicherweise deutet das auf Ausbrüche von Kannibalismus hin.
    Geschwächt durch den Hunger wurden die Franken von Kranheiten wie Skorbut und einer üblen Entzündung des Mund- und Rachenraums heimgesucht:
    [458] Eine Krankheit befiel das Heer [. . .] infolge von unablässigen Regengüssen, so dass das ganze Heer halb ertrunken war. Jeder hustete und sprach heiser; ihre Beine und Gesichter schwollen an. An einem Tag lagen tausend [Männer auf] Bahren; ihre Gesichter waren derart angeschwollen, dass ihnen die Zähne aus dem Mund fielen.
    Die Sterblichkeit erreichte eine Höhe, wie sie seit der Belagerung von Antiochia durch die ersten Kreuzfahrer nicht mehr vorgekommen war. Tausende starben, darunter große Herren wie der Erzbischof Balduin von Canterbury, Theobald von Blois und sogar Friedrich von Schwaben. In diesen düsteren Wintertagen brach die Widerstandskraft der Christen zusammen. Ein Kreuzfahrer schrieb, dass »nichts der Raserei gleichkommt, die aus dem Hunger geboren wird«, und er beobachtete, dass inmitten dieses Grauens Wut und Verzweiflung dazu führten, dass viele von ihrem Glauben abfielen und desertierten. »Viele unserer Leute liefen zu den Türken über und schworen ihrem Glauben ab«, schrieb er, »sie leugneten Christus, das Kreuz und die Taufe – einfach alles.« Als Saladin diese Überläufer empfing, dürfte er wohl gehofft haben, dass die Belagerung von Akkon sich bald von allein erledigen werde.
    Aber die Kreuzfahrer ließen nicht locker. Einige verlegten sich darauf, »wie Tiere« Gras und Kräuter zu essen, andere nahmen die fremdartigen »Carob-Bohnen«, die Früchte des Johannisbrotbaums, zu sich, die sie »sehr süß zu essen« fanden. Hubert Walter, der Bischof von Salisbury, spielte bei den Bemühungen, wenigstens noch einen Anschein von Ordnung in dem von Chaos bedrohten Lager aufrechtzuerhalten, eine Hauptrolle: So organisierte er etwa mildtätige Sammlungen unter den Reichen, damit auch an die Armen Nahrung verteilt werden konnte. Als etliche hungrige Kreuzfahrer sündigten, indem sie während der Fastenzeit das wenige Fleisch aßen, das sie fanden, legte ihnen Hubert eine Buße auf – drei Backenstreiche mit einem Stock, die der Bischof selbst ausführte, »allerdings keine schweren Schläge«, denn er »züchtigte wie ein Vater«. Schließlich traf Ende Februar oder Anfang März das erste kleine Versorgungsschiff mit Weizen ein, das begeistert begrüßt wurde, und als dann der Frühling kam, war die Nahrungskrise vorüber. Die Franken waren durch eine Hölle aus Tod und Elend gegangen, und noch immer bevölkerten sie die Ebene vor den Mauern Akkons. 27
    [459] Für den Islam kam die Hartnäckigkeit der Kreuzfahrer einer Katastrophe gleich. Wie schon im Jahr zuvor bemühte sich Saladin während des Winters, Akkons Stellung zu festigen und zu stärken, allerdings diesmal mit wesentlich weniger Erfolg. Al-Adil wurde entsandt, ein Vorratslager in Haifa anzulegen, von wo aus Nachschub aus Ägypten an der Küste entlang nach Norden in die Garnison transportiert werden konnte. Am 31. Dezember 1190 liefen sieben voll beladene Transportschiffe im Hafen von Akkon ein, aber sie wurden an den Felsen zerschmettert und von der tückischen See verschlungen. Die gesamte Ladung an Nahrung, Waffen

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