Die Kreuzzüge
überwiegend mit einem Feind zu tun, der nur ein Ziel kannte: die Überwindung von Akkons Verteidigungsanlagen auf dem Festland. Die Franken hatten nicht einen ausschließlichen, von allen anerkannten Anführer; das Oberkommando wechselte vielmehr zwischen König Guido, Jakob von Avesnes und Heinrich von Champagne, weshalb ihren Angriffen teilweise die klare Linie fehlte. Dennoch stellten sie eine ernstzunehmende Bedrohung dar. Die Franken verfolgten eine aggressive Belagerungsstrategie, sie versuchten, die Stadtmauern durch eine Kombination von Steinwürfen, Erstürmung über Leitern und Unterminieren der Mauern zu Fall zu bringen. Im Winter hatten sie mehrere Katapulte gebaut, nun hagelten fast täglich Steingeschosse auf die Mauern ein. Die Maschinen der Franken scheinen keine besondere Durchschlagskraft gehabt zu haben, richtig massive Felsbrocken konnten mit ihnen nicht geschleudert werden; wahrscheinlich sollten mit den Angriffen auch nicht nur die Stadtmauern durchlöchert, sondern auch die Wachen der muslimischen Garnison drangsaliert und verletzt werden. Natürlich gingen die Angriffe nicht nur von den Franken aus. Innerhalb der Stadt verfügte auch Qaragush über ein Arsenal an schweren Waffen, mit dem er die Belagerungsmaschinen der Kreuzfahrer – häufig sehr erfolgreich – zu zerstören versuchte. Ein Katapult soll besonders durchschlagskräftig gewesen sein; es hieß, es könne Steine mit solcher Wucht schleudern, dass sie sich beim Aufprall 30 Zentimeter tief in den Boden bohrten.
Die landseitigen Mauern Akkons waren von einem trockenen Festungsgraben umgeben, der Angreifer aufhalten und vor allem verhindern sollte, dass der Feind sich den Stadtmauern mit Belagerungstürmen näherte. Die Kreuzfahrer nahmen ungeheure Strapazen auf sich, um den Graben stellenweise mit Geröll und Steinen aufzufüllen; zum Teil wurden sie dabei gedeckt durch die eigenen Katapulte, die gleichzeitig die Mauern beschossen. Die Garnison bemühte sich nach Kräften, diese Anstrengungen zu vereiteln, indem sie die Arbeiter mit Pfeilen überschüttete, doch das konnte sie nicht aufhalten. Es gab sogar eine fränkische Frau, die, als sie beim Steintransport tödlich verwundet wurde, verlangte, man solle auch ihre Leiche als Auffüllmaterial in den Graben werfen. Anfang Mai 1190 war dann zum großen Entsetzen der Muslime tatsächlich ein Zugang zum Fuß der Mauern entstanden.
Nun breitete sich Panik aus. Wochenlang hatten Qaragush und Saladin [451] im Lager der Kreuzfahrer fieberhafte Bautätigkeit beobachtet: Drei riesige Belagerungsmaschinen wuchsen langsam in die Höhe, bis auf eine Größe von ungefähr 20 Metern. Sie waren aus Holz hergestellt, das man eigens aus Europa herangeschafft hatte; die dreistöckigen, auf Rädern befestigten Giganten waren mit essiggetränktem Leder bezogen, um das griechische Feuer abzuwehren, und mit einem Netzwerk aus Seilen überspannt, um den Einschlag der Katapultgeschosse abzudämpfen. Ein muslimischer Augenzeuge schrieb, dass die Türme sich über den Wehrmauern von Akkon »wie Berge« erhoben. Dieser Anblick versetzte die Muslime in Furcht. In Saladins Lager »glaubte keiner mehr an die Rettung der Stadt, und die Stimmung bei den Verteidigern war äußerst niedergeschlagen«, während in Akkon »Qaragush vor Angst ganz außer sich war« und sich auf Kapitulationsverhandlungen vorbereitete. Ein Schwimmer wurde losgeschickt, um dem Sultan zu melden, dass der Zusammenbruch unmittelbar bevorstand, und Saladin antwortete sofort mit einem Gegenangriff. Zugleich begann die Garnison, die Türme, als sie nah genug herangerückt waren, mit griechischem Feuer zu bewerfen, doch nichts vermochte ihr Näherkommen aufzuhalten.
Es war ein junger Schmied aus Damaskus – sein Name ist nicht überliefert –, der die Situation rettete. Die Eigenschaften des griechischen Feuers faszinierten ihn, und er hatte eine Variation der Herstellungsformel herausgefunden, die noch intensivere Brenneigenschaften versprach. Qaragush war zunächst skeptisch, stimmte dann jedoch einem Versuch zu, und der Schmied »vermischte die erforderlichen Zutaten in Kupferkesseln mit etwas Naphtha, bis die ganze Mischung aussah wie glühende Kohlen«. Am gleichen Tag hatten die fruchtlosen Versuche der Muslime, das übliche griechische Feuer einzusetzen, bei den Franken schon Freudentänze ausgelöst, und sie überschütteten ihre Gegner mit Hohn und Spott; als dann jedoch ein Tongefäß mit dieser neuen Mischung einschlug,
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