Die Kreuzzüge
verstummte ihr Gejohle. »Kaum hatte es sein Ziel erreicht, explodierte es, und das Ganze verwandelte sich in einen einzigen Flammenberg«, so beschrieb ein muslimischer Beobachter die Wirkung. Die beiden anderen Türme ereilte kurz danach dasselbe Schicksal. Für die Kreuzfahrer auf den oberen Etagen gab es kein Entkommen, sie starben in der Feuersbrunst; die anderen entflohen, wenn möglich, und mussten mit ansehen, wie ihre großen Maschinen »zu Asche verbrannten«. Akkon war, zumindest bis auf weiteres, gerettet. 21
[452] In den Monaten danach entwickelte sich der meisterliche Umgang der Muslime mit dieser Feuerwaffe zu einem entscheidenden Faktor in der Auseinandersetzung mit den Franken. Im August, als die Franken ihr Bombardement verschärften, als sie in Schichten Tag und Nacht gegen die Stadt vorgingen und immer durchschlagskräftigere Katapulte bauten, organisierten Qaragush und Abu’l Haija einen Überraschungsangriff: Sie entsandten »Feuer-Spezialisten«, die die feindlichen Maschinen abfackelten und darüber hinaus noch 70 christliche Ritter töteten. Im September wurde eine massive Steinwurfmaschine, die auf Anweisung Heinrichs von Champagne zum Preis von 1500 Gold-Dinaren gebaut worden war, ebenfalls binnen weniger Minuten zerstört. Dass die Kreuzfahrer eine ganz besondere Abneigung gegen griechisches Feuer entwickelten, ist dabei mehr als verständlich. Deswegen zahlte ein glückloser türkischer Emir auch einen fürchterlichen Preis, als er in einem Handgemenge neben einem fränkischen Belagerungsturm verwundet wurde. Er hatte einen Behälter mit griechischen Feuer bei sich, mit dem er den Turm zerstören wollte, doch jetzt »streckte ihn« ein lateinischer Ritter »zu Boden und leerte den Inhalt des Gefäßes über seinen Geschlechtsteilen aus, so dass sie verbrannten«. 22
Auch auf andere, hinterhältigere Weise wurden in diesem Sommer Kämpfe ausgetragen. Die Sorge um die Aufrechterhaltung der Stimmung im eigenen Heer und die Anstrengungen, die unternommen wurden, um den Willen des Feindes zu brechen, waren schon seit jeher Hauptbestandteile mittelalterlicher Belagerungsstrategien. Und obwohl in und um Akkon nun von beiden Seiten nicht gerade ungewöhnlich viele Akte außergewöhnlicher Brutalität oder Barbarei vorkamen, machte die Garnison von Qaragush doch fallweise von solchen Taktiken Gebrauch. Im November 1189 ließ man die Leichen getöteter Lateiner von den Festungsmauern herabhängen, um die Kreuzfahrer in Rage zu bringen. Nun, im Jahr 1190, holten muslimische Soldaten immer wieder einmal Kreuze und Bilder mit christlichen Motiven hinauf in den Wehrgang und setzten sie öffentlicher Schändung aus. Dazu gehörten Stockschläge, Bespeiung und sogar Urinieren, wobei ein Soldat, der Letzteres versuchte, angeblich von einem fränkischen Armbrustschützen in den Unterleib getroffen wurde.
Die Probleme bei jeder länger andauernden Belagerung – Nahrungsmittelknappheit und Seuchen – warfen im Jahr 1190 auch ihre Schatten [453] über Akkon. Hunger und Unzufriedenheit trieben einige ärmere Kreuzfahrer dazu, auf der Suche nach Nahrungsmitteln am 25. Juli einen schlecht organisierten und letztlich nutzlosen Angriff auf Saladins Lager zu unternehmen; mindestens 5000 Männer kamen dabei ums Leben. Während ihre Leichen, umschwirrt von riesigen Fliegenschwärmen, in der Sommerhitze verfaulten, wurde das Leben in beiden Lagern immer unerträglicher, und unaufhaltsam breiteten sich über den Feldern vor Akkon die Seuchen aus.
Wieder ließ Saladin, um das Schlachtfeld zu säubern, die Überreste der toten Kreuzfahrer in den Fluss werfen, womit eine grausige Mischung aus »Blut, Leichen und Fett« den Fluss in Richtung des Lagers der Franken trieb. Die Taktik zeigte Wirkung. Ein Lateiner beschrieb, wie »nicht wenige Kreuzfahrer, kurz nachdem die Leichen angetrieben wurden, starben: an der verpesteten Luft, die durch den Gestank der Leichen vergiftet war; erschöpft von den angstvollen Nächten auf Wache, und zermürbt von anderen Härten und Bedrängnissen«. Die tödliche Mischung aus schlechter Ernährung und entsetzlichen sanitären Bedingungen machte den Leuten im Lager für die noch verbleibenden Wochen der Kampfsaison das Leben schwer, und die Sterblichkeit schnellte in die Höhe. Es waren natürlich vor allem die Armen, die starben, doch auch der Adel blieb nicht verschont: Theobald von Blois »überlebte nicht mehr als drei Monate«, sein Landsmann Stephan von Sancerre »kam und starb
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