Die Kreuzzüge
Handelns mit der Kunst der Kriegsführung zu verbinden wusste. Er hatte keinerlei Skrupel, Verhandlungen als Waffe im Kampf gegen die sogenannten Ungläubigen einzusetzen, obwohl er diese Kontakte zumindest vorerst vor der Menge der Kreuzfahrer geheim hielt. Schon vor dem Ausbruch seiner Krankheit hatte Richard sich um eine persönliche Begegnung mit Saladin bemüht. Er entsandte einen Boten, der ein Gespräch mit dem Sultan vereinbaren sollte, doch dieser lehnte höflich, aber bestimmt ab: »Könige treffen sich erst, wenn es zu einer Vereinbarung gekommen ist«, soll er geantwortet haben, »es ist ungehörig, zu kämpfen, nachdem man sich getroffen und miteinander gespeist hat.«
Richard versuchte bald darauf erneut zu verhandeln, und schlug einen Austausch von Geschenken vor. Am 1. Juli ließ er als Zeichen der Lauterkeit seiner Absichten einen Ägypter frei, »den sie vor langer Zeit gefangen genommen hatten«. Kurze Zeit später empfing Saladin den Besuch von drei angevinischen Boten, die um »Früchte und Eis« für ihren König nachsuchten. Richard scheint gern nach solchen Delikatessen gefragt zu haben – vielleicht war es Bestandteil eines durchtriebenen diplomatischen Spiels, vielleicht wollte er ausprobieren, wie dehnbar die Grenzen der Gastfreundschaft waren, doch scheint er auch schlicht Geschmack an den Delikatessen des Orients, vor allem an Pfirsichen und Birnen, entwickelt zu haben. Saladin, seinerseits ein gewiefter Diplomat, ermöglichte den drei Franken einen Besuch des Marktes in seinem Heerlager, um sie mit der spektakulären Vielfalt an Läden, Bädern und Waren zu blenden. Baha ad-Din, der zum engsten Kreis um Saladin gehörte, war Zeuge dieser frühen Kontakte und bemerkte ganz richtig, dass diese Boten einerseits in Wahrheit Spione waren, die die Stimmung und die Kampfmoral der Muslime abschätzen sollten, und dass man sie andererseits freundlich empfangen hatte, um genau dieselben Erkenntnisse über die Situation der Feinde zu bekommen. Richard war auch nicht der Einzige, der bei Akkon mit den Muslimen in Verhandlungen zu treten [468] suchte. Philipp August hatte seinerseits private Unterredungen mit den Befehlshabern der Garnison, obwohl auch dabei nicht sehr viel herauskam. Doch allein schon die Tatsache, dass die beiden Könige auf dem Feld der Diplomatie wetteiferten, weist darauf hin, dass die tief verwurzelte Rivalität, die ihre Ankunft im Heiligen Land so lange verzögert hatte, unterschwellig noch immer bestand. 6
Rivalität oder Einvernehmen?
Die ersten Reaktionen auf Richards Ankunft in Akkon ließen vermuten, dass die alte Zwietracht angesichts des gemeinsamen Zieles keine Rolle mehr spielte. Philipp August höchstpersönlich begrüßte Richard, als dieser vor Akkon an Land ging, und die beiden Monarchen »erwiesen einander hochachtungsvoll jeglichen Respekt«. Der König von Frankreich zügelte sogar seinen Ärger über die Hochzeit Richards mit Berengaria, obwohl seine eigene Schwester damit endgültig zurückgewiesen war. Doch bald machten sich Risse im Lack des freundschaftlichen Umgangs bemerkbar. Richard scheute keine Mühe zu beweisen, dass sein Reichtum den seines französischen Amtskollegen übertraf, er bot »jedem Ritter, aus jedem Land, der sich diesen Lohn verdienen will«, vier Gold-Bezant pro Monat, nachdem Philipp August drei geboten hatte. Das klingt ganz nach der Arroganz eines Menschen, der immer besser sein muss als die anderen, andererseits hatte es den sehr praktischen Effekt, dass sich die Reihen in Richards Heer weiter füllten und seine Vormachtstellung unter den Kreuzfahrern unangefochten blieb. 7
Auch die heikle Frage der politischen Zukunft des Königreichs Jerusalem schürte die Rivalität. Seit der schmählichen Niederlage und Gefangennahme bei Hattin im Jahr 1187 war das Recht Guidos von Lusignan auf den Thron von Jerusalem immer wieder in Frage gestellt worden. Konrad, Graf von Montferrat, der unerschütterliche Verteidiger von Tyros und Retter des lateinischen Orients, schien der ideale Mann für den Thron zu sein. Als er Guido nach dessen Freilassung aus der Gefangenschaft den Einzug in Tyros verweigerte, artete der Streit in eine offene Fehde aus. Und die Krise verschärfte sich noch, als im Frühherbst 1190 Königin Sibylla (die Schwester Balduins IV.) und ihre beiden kleinen Töchter während eines Aufenthalts im Lager der Kreuzfahrer vor Akkon schwer erkrankten. Ihr Tod bedeutete einen schrecklichen Schlag [469] für Guidos politisches
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