Die Kreuzzüge
wurden jedes Mal davongejagt. Nachts versuchte es Saladin mit hinterhältigeren Methoden. Gewiefte Diebe sollten hinter die lateinischen Zäune und zu den Zelten schlüpfen, wo sie sich ein Opfer aussuchten. Baha ad-Din beschreibt, wie »sie mit Leichtigkeit die Männer ergreifen konnten, indem sie sich ihnen, während diese schliefen, näherten, ihnen ein Messer an die Kehle setzten, sie dann aufweckten und mit Gesten zu verstehen gaben: ›Wenn du redest, schneiden wir dir die Kehle durch.‹« Dann nahmen sie sie gefangen und fragten sie aus. Doch letztlich führten diese recht verzweifelten Versuche, die Offensive der Christen aufzuhalten und die Moral der Kreuzfahrer zu untergraben, zu nichts. Anfang Juli war es offensichtlich, dass die Niederlage Akkons unmittelbar bevorstand. Ein muslimischer Augenzeuge berichtet von Saladins Entsetzen: »Tränen rannen aus seinen [473] Augen [. . .], als er auf Akkon blickte und sah, in welcher Bedrängnis die Stadt sich befand.« Er war so erschüttert, »dass er an jenem Tag überhaupt nichts mehr aß, [sondern] nur noch einige Schalen eines Trankes zu sich nahm, den ihm sein Arzt empfahl. [Er war] überwältigt von Müdigkeit, Schwermut und Kummer.« 10
DAS SCHICKSAL AKKONS
Am 2. Juli 1191 passten die Kreuzfahrer ihre Strategie an die veränderten Verhältnisse an. Sie hatten Akkon derart bestürmt, dass die Stadt nun kurz davor stand, sich zu ergeben, und nun wollte man die Schäden an den Verteidigungsanlagen endlich ausnutzen. Der »Verfluchte Turm« war schwer angeschlagen, und in der Nähe begann ein 10 Meter langes Stück der Stadtmauer zusammenzubrechen; im Norden war außerdem ein zweiter größerer Turm stark beschädigt. Lateinische Sappeure verstärkten ihre Bemühungen, diese Bereiche zu unterminieren; über der Erde wurde der Katapultbeschuss zurückgenommen, und man verlegte sich stattdessen auf einen Frontalangriff. »Mit grimmiger Entschlossenheit« bereiteten sich die Franken darauf vor, die Mauern Akkons zu durchbrechen.
Nach dem ersten Tag dieser Angriffe erreichte den Sultan eine dringende Botschaft von Qaragush und al-Mashtub: »Wenn Ihr nicht etwas für uns tut, dann werden wir in Verhandlungen eintreten und die Stadt übergeben.« Ein Augenzeuge im muslimischen Lager berichtet, »der Sultan [sei] am Boden zerstört« gewesen. Er war über die unmittelbar bevorstehende Katastrophe so erschüttert, dass er al-Adil befahl, am 3. Juli einen weiteren verzweifelten Angriff auf das Lager der Christen zu unternehmen, aber »die fränkische Infanterie stand mit ihren Armbrüsten, Bolzen und Bögen unerschütterlich wie eine massive Mauer hinter ihren Verteidigungsanlagen«. Zur gleichen Zeit stellten in der Nähe des »Verfluchten Turmes« französische Sappeure einen Tunnel fertig. Der mit Holz vollgepackte unterirdische Gang wurde angezündet, stürzte ein, und mit ihm brach auch ein großes Stück der Brüstung darüber zusammen. Nun rannten die Franken scharenweise mit Sturmleitern auf die Bresche zu, während die muslimische Garnison auf die Trümmer stieg und sich für den Kampf Mann gegen Mann wappnete.
[474] Aubery Clements, Marschall von Frankreich, einer der führenden Ritter Philipp Augusts, war der erste Kreuzfahrer, der über eine Leiter das Mauerwerk erkletterte. Man erzählte sich später im Heer der Christen, dass Aubery, bevor er die Leiter bestieg, herausfordernd gerufen habe: »Entweder werde ich heute sterben, oder ich werde, so Gott will, in Akkon ankommen.« Als Aubery das Ende der Leiter erreichte, brach diese unter dem Gewicht der Kreuzfahrer zusammen, die sich ihm angeschlossen hatten, und der fränkische Angriff geriet ins Stocken. Aubery war jetzt ganz auf sich allein gestellt, und er soll »unglaublich tapfer« gekämpft haben; seine schreckensstarren Kampfgenossen mussten von unten mit ansehen, wie »die Türken ihn umringten und niederschlugen und mit Messerstichen töteten«. So lautete zumindest die Darstellung der Kreuzfahrer von dem Ereignis. Muslimische Zeugen dagegen beobachteten, dass Aubery ziemlich erbärmlich um sein Leben gebettelt und sogar angeboten habe, den Abzug sämtlicher Kreuzfahrer in die Wege zu leiten, bevor er von einem tatkräftigen Kurden abgeschlachtet wurde. Dieser lateinische Angriff war zwar gescheitert, aber doch nur knapp, und der prekäre Zustand der Verteidigungsanlagen von Akkon versetzte die Stadt in Furcht und Schrecken. Drei Emire flohen nachts im Schutz der Dunkelheit in kleinen Booten
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