Die Kreuzzüge
Überleben, denn damit war seine einzige auf Blutsverwandtschaft beruhende Verbindung zum Thron von Jerusalem durchtrennt. Ob Guido nun noch ein Recht auf die Krone hatte, wurde zu einer offenen Frage, und viele Adlige im lateinischen Königreich fassten den Entschluss, Konrad zu unterstützen.
Im November 1190 wurde eine reichlich dubiose politische Lösung konstruiert. Die nächste rechtmäßige Thronerbin war nun Sibyllas schöne jüngere Schwester Isabella, daher arrangierten Guidos Gegner ihre Vermählung mit Konrad. Einige Schwierigkeiten mussten noch aus dem Weg geräumt werden, bevor die Verbindung vollzogen werden konnte. Da war zum einen das Gerücht, dass mindestens eine von den beiden früheren Ehefrauen Konrads irgendwo im Abendland noch lebte. Was aber schwerer wog: Isabella hatte bereits einen Ehemann – Humfried von Toron. Das Paar war sogar im Kreuzfahrerlager vor Akkon anwesend. Isabella wurde aus ihrem Zelt entführt und von ihrer Mutter Maria Komnena genötigt, sich mit einer dubiosen Annullierung ihrer Ehe abzufinden; schließlich fügte sie sich und wurde mit Konrad verheiratet. Jahrzehnte später verurteilte eine päpstliche Kommission diese Ehe als Bigamie wie auch als Inzest (Isabellas Schwester war früher mit Konrads Bruder verheiratet gewesen); in diesem Augenblick allerdings siegte das Bedürfnis nach straffer militärischer Führung über die Finessen des Gesetzes. Konrad ging nicht so weit, sich und Isabella anstelle Guidos krönen zu lassen, er zog sich stattdessen, da jetzt die Autorität des »Königs« in Scherben lag, nach Tyros zurück.
Im Sommer 1191 nun schrie diese ganze Situation förmlich nach einer Lösung. Natürlich standen Richard und Philipp August nicht auf derselben Seite. Als Graf von Poitou war Richard Löwenherz der Herr der Familie Lusignan; es wurde also erwartet, dass er Guido unterstützte. Das zeichnete sich bereits im Mai ab, als Guido nach Zypern kam und den König um Hilfe anflehte, noch bevor dieser überhaupt in Akkon angekommen war. Philipp August setzte sich dagegen für die Interessen seines Verwandten Konrad ein, der sich dem Belagerungsheer mittlerweile wieder angeschlossen hatte. Vor Akkon trat der König von Frankreich am 7. Mai 1191 als Mitunterzeichner einer Vereinbarung auf, mit der im Austausch gegen Handelsprivilegien die Unterstützung der Venezianer erkauft wurde; Konrad bezeichnete sich in diesem Zusammenhang selbstbewusst als »gewählter König«. Die Genuesen waren bereits [470] mit den Franzosen verbündet, die Pisaner waren von Richard gekauft, und es sah nun ganz so aus, als sollte dieses komplexe Gewebe aus sich überschneidenden Gruppierungen und ineinander verhakten Streitigkeiten den dritten Kreuzzug sprengen. Ein offener Konflikt brach jedoch nie richtig aus. Ende Juni beschuldigte Gottfried von Lusignan mit Richards Unterstützung Konrad des Verrats, woraufhin dieser beschloss, nach Tyros zu fliehen, statt sich festnehmen zu lassen, und daher wurde die Angelegenheit zumindest für den Augenblick zurückgestellt. 8
Trotz der Animositäten und der erkennbaren Spannung zwischen Richard und Philipp August gelang es den beiden Königen – wenn auch widerstrebend – so weit zu kooperieren, dass an der militärischen Front Fortschritte möglich waren. Im Juni und Anfang Juli 1191 arbeiteten die angevinischen und die kapetingischen Truppen zusammen und wechselten sich bei ihren Angriffen ab – die eine Seite sicherte die Gräben gegen Saladin, die andere griff die Stadt an. Ende Juni wurde Philipp August ungeduldig, weil alles wegen der Krankheit Richards nur schleppend voranging, und er unternahm auf eigene Faust einen Angriff auf Akkon, der jedoch nicht sonderlich erfolgreich war. Doch sogar bei dieser Gelegenheit halfen Richards Bündnispartner, das Lager der Kreuzfahrer zu verteidigen; allein Gottfried von Lusignan tötete mit seiner Streitaxt zehn Muslime.
Die Belagerungstaktik der Kreuzfahrer
Im Frühsommer 1191 waren rund 25 000 Kreuzfahrer um Akkon herum aufgestellt, und Richard und Philipp August gingen nun mit einer relativ gut koordinierten aggressiven Belagerungsstrategie vor. Sappeure gruben Gänge unter den Stadtmauern, um die Fundamente zum Einsturz zu bringen, und immer wieder wurde versucht, die Stadtmauern Akkons im Frontalangriff zu stürmen. Im Juni sah der Schlachtplan der beiden Könige jedoch vor allem einen unablässigen Beschuss durch Katapulte vor, um sowohl die Verteidigungsanlagen der Stadt zu
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