Die Kreuzzüge
erschüttern als auch die seelischen Widerstandskräfte ihrer Garnison. Die beiden Könige stellten um die Stadt herum zahlreiche mächtige Steinschleudern auf. Nie zuvor hatte es in den Kreuzzügen eine solche Ansammlung von zerstörerischem Kriegsgerät gegeben; deshalb markiert die Belagerung von Akkon auch einen Wendepunkt in der Geschichte der Belagerungstechnik.
[471] Natürlich waren seit Beginn dieser heiligen Kriege bei Belagerungen Katapulte zur Bombardierung eingesetzt worden, und sowohl die Angreifer als auch die Verteidiger benutzten unterschiedliche Typen von Steinschleudermaschinen. Bislang allerdings war die Leistungsfähigkeit dieser Maschinen hinsichtlich der Größe und des Gewichts der Geschosse sowie ihrer tatsächlichen Reichweite stark beschränkt. Belagerer setzten Katapulte ein, um eine feindliche Garnison zu demoralisieren, doch es war wenig aussichtsreich, allein durch Bombardement die Mauern oder Türme eines wehrhaften Zieles zu Fall zu bringen.
Richard und möglicherweise auch Philipp August brachten offenbar bei der Belagerung von Akkon weiter entwickelte Formen der Katapulttechnik zum Einsatz, sie verwendeten Maschinen, die mit höherer Zielgenauigkeit schwerere Geschosse auf eine größere Distanz schleudern konnten. Schon Philipp August hatte die Katapultangriffe verstärkt, und nach Richards Ankunft wurden immer mehr Teile von Akkon unter beständigen Beschuss genommen. Das durchschlagskräftigste französische Katapult nannten die Kreuzfahrer »Mal Voisine«, »schlimme Nachbarin«, und das muslimische Pendant, das zur Abwehr auf die »schlimme Nachbarin« gerichtet war, erhielt den Namen »Mal Cousine«, »schlimme Verwandte«. Es gelang der Garnison von Akkon immer wieder einmal, die »schlimme Nachbarin« zu beschädigen, doch Philipp August ließ sie dann umgehend wieder instand setzen. Er konzentrierte seinen Beschuss auf den »Verfluchten Turm« am nordöstlichen Ende der Stadtmauern. Eine weitere Belagerungsmaschine, der die Franken den Namen »Katapult Gottes« gaben, wurde aus einer Gemeinschaftskasse finanziert: »Ein Priester, ein sehr rechtschaffener Mann, stand immer neben ihr«, so ein Zeitgenosse, »und er predigte und sammelte Geld für die Instandhaltung sowie als Entgelt für Leute, die Steine für die Munition zusammentrugen.«
Unter den Katapulten, die Richards Männer einsetzten, befanden sich zwei neue Maschinen, die »aus sehr soliden Materialien außerordentlich gut konstruiert« waren. Mit diesen konnten die schweren Katapultsteine geschleudert werden, die der König aus Messina mitgenommen hatte. Unter den Franken wurde gemunkelt, dass ein einziges dieser Geschosse zwölf Menschen in Akkon getötet habe und dann anschließend zu Saladin gebracht worden sei, der es selbst in Augenschein nehmen wollte – eine Geschichte, die eher nach Lagerklatsch zur [472] Hebung der Kampfmoral klingt und durch muslimische Berichte nicht gestützt wird. Ein anderes Katapult Richards hatte eine solche Reichweite, dass es ein Geschoss bis ins Herz der Stadt in die Fleischergasse schleudern konnte, eine Straße, die offenbar direkt zum Hafen hinunterführte. 9
Ende Juni begann die Gewalt der fränkischen Offensive erste Auswirkungen zu zeigen. Ein Beobachter in Saladins Lager notierte, »der unaufhörliche Beschuss der Stadtmauern« durch die Franken führe dazu, dass die Fundamente »erzitterten«; auch die Kreuzfahrer bemerkten, wie sie »wankten«. »Die Verteidiger in der Stadt sind sehr geschwächt, und die Schlinge um sie herum ist schon sehr eng.« Es waren nicht mehr genug Soldaten in Akkon, dass sie sich regelmäßig hätten ablösen können, und die meisten hatten tagelang keine Möglichkeit zu schlafen. Im Lager des Sultans trafen warnende Botschaften ein: Die Garnison sei erschöpft von den unaufhörlichen Kampfhandlungen und es gebe deutliche Anzeichen von Schwäche.
Saladin tat, was in seiner Macht stand, um von seiner Seite her den Druck zu mildern, und unternahm regelmäßige Gegenangriffe auf die feindlichen Gräben. In den letzten Frühjahrswochen und zu Beginn des Sommers füllten sich die Reihen seines Heeres, als Truppen aus seinem gesamten Reich nach Akkon zurückkehrten. Ende Juni trafen dann auch noch beträchtliche Kontingente aus Mesopotamien und Ägypten ein. Hin und wieder gelang es muslimischen Überfallkommandos, in das feindliche Lager einzudringen – bei einer Gelegenheit schafften sie es, fränkische Kochtöpfe zu stehlen –, doch sie
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