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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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von Frankreich das Heilige Land und den dritten Kreuzzug. Trotz des Eides blieb Richard argwöhnisch. Er entsandte umgehend einige seiner vertrauenswürdigsten Gefolgsleute, um den König während seiner Rückreise zu beschatten und in England und darüber hinaus warnend auf dessen Rückkehr hinzuweisen. Am 6. August setzte er einen Brief an einen seiner höchsten Ministerialen in England auf, der einen gewissen Einblick in seine damalige Gemütsverfassung zu geben vermag: seinen Wunsch, von Philipp Augusts Rückzug zu profitieren, gepaart mit neu aufkommenden Befürchtungen.
    [484] Fünfzehn Tage [nach der Einnahme von Akkon] verließ uns der König von Frankreich, um in sein Land zurückzukehren. Für uns hingegen ist die Liebe zu Gott und Seine Ehre wichtiger als unsere eigene [Ehre] und die Eroberung vieler Gebiete. Wir werden so schnell wie möglich das [lateinische Königreich] wiederherstellen, so wie es ursprünglich war, und erst dann kehren wir in unser eigenes Land zurück. Ihr sollt aber sicher wissen, dass wir in der Fastenzeit des nächsten Jahres die Segel setzen werden.
    Bis jetzt hatte Richard sich ganz auf das Geschehen des dritten Kreuzzugs konzentrieren können. Mit Philipp August neben sich konnte er sicher sein, dass sein Königreich nicht in Gefahr war. Jetzt hatte er mehr Grund zur Sorge – jeder Tag, den er im Orient verbrachte, verschaffte seinem Rivalen wertvolle Zeit. Nie wieder konnte er so zielstrebig die Rettung des Heiligen Landes betreiben. 18
    KALTBLÜTIG
    Da Richard nun als Einziger die Befehlsgewalt über den Kreuzzug hatte, wollte er als Erstes die Übergabebedingungen für Akkon umsetzen, damit dann die Zurückeroberung des lateinischen Ostens weitergehen konnte. Zeit war nun zu einem entscheidenden Faktor geworden, und es hing daher alles davon ab, jetzt nicht nachlässig zu werden. In knapp zwei Monaten endete die übliche Kampfsaison, man musste sich also praktisch umgehend Richtung Süden in Marsch setzen, um einen umfassenden Sieg zu erkämpfen, bevor der Winter begann. Richard brauchte ein paar Wochen, um die Festungsanlagen von Akkon wiederaufbauen zu lassen, damit die Stadt in seiner Abwesenheit verteidigt werden konnte; gleichzeitig begann er den Sultan zu drängen, nach einem genauen Zeitplan die einzelnen Punkte des Friedensvertrags zu erfüllen.
    Beide Seiten traten nun in einen heiklen, wenn nicht gar lebensgefährlichen diplomatischen Tanz ein. Der Sultan wusste, dass Zeit für Richard eine entscheidende Rolle spielte. Solange der König allerdings auf seiner Seite viele tausend Kriegsgefangene festhielt und die im Vertrag ausgehandelte immense Summe noch ausstand, war er faktisch zur Bewegungslosigkeit verurteilt. Wenn man die Verhandlungen lang genug [485] hinzog, dann waren die Kreuzfahrer vielleicht sogar gezwungen, den gesamten Herbst und Winter hindurch in Akkon zu bleiben. Richard war sich andererseits ebenso klar darüber, dass sein Gegner sich genau solcher Verzögerungstaktiken bedienen würde. Er wusste genauso gut wie Saladin, dass hier ein Spiel gespielt wurde; was sie allerdings nicht so genau kannten, war das Temperament des Gegners. Würde er sich an die Regeln halten? Gab es überhaupt gemeinsame Regeln? Und auf welche Risiken und Opfer würde sich der andere einlassen?
    Beiden Seiten drohten ernste Gefahren, wenn sie sich verrechneten. Dem König würde ein beträchtliches Lösegeld entgehen, außerdem die Befreiung von mehr als 1000 lateinischen Gefangenen und die heiligste Reliquie Outremers. Was aber noch gefährlicher war: Wenn er zuließ, dass die Verhandlungen verschleppt wurden und ins Stocken gerieten, dann riskierte er den Zusammenbruch des gesamten Kreuzzugs. Denn wenn es keine deutlichen Fortschritte gab, dann musste das gesamte Unternehmen mit Sicherheit unter dem Gewicht von Uneinigkeit, Trägheit und Erschöpfung zusammenbrechen. Die Entscheidung, die Saladin zu treffen hatte, war vergleichsweise einfach: Auf der einen Seite stand das Leben von rund 3000 muslimischen Gefangenen, das auf der anderen Seite gegen die Notwendigkeit, den Kreuzzug aufzuhalten, abgewogen werden musste.
    Die Vereinbarung vom 12. Juli sah ursprünglich einen Zeitrahmen von 30 Tagen für die Umsetzung der Bedingungen vor. Saladin zeigte sich zwar bereit, einigen fränkischen Forderungen nachzukommen – so erlaubte er etwa einer Gruppe lateinischer Gesandter, Damaskus zu besuchen, um die christlichen Gefangenen in Augenschein zu nehmen; einer anderen Gruppe

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