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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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wurde es gestattet, einen Blick auf die Reliquie des Wahren Kreuzes zu werfen –, aber gleichzeitig war er offenbar entschlossen, mehr Zeit zu gewinnen. Richard wurde überrannt von Scharen seidenzüngiger, geschenkbeladener muslimischer Unterhändler, und am 2. August scheint er nachgegeben zu haben. Seine Truppen waren zwar fast schon bereit, Akkon zu verlassen, trotzdem ließ sich Löwenherz auf einen Kompromiss ein: Die Übergabebedingungen sollten jetzt in zwei bis drei Schüben umgesetzt werden; die erste Rate sollte die Freilassung von 1600 lateinischen Gefangenen und die Herausgabe des Wahren Kreuzes sowie die Zahlung der Hälfte des versprochenen Geldes, 100 000 Dinare, umfassen. Wahrscheinlich sah Saladin darin einen Hinweis [486] darauf, dass der englische König manipulierbar war, doch das sollte sich als böser Irrtum herausstellen. Richard hatte schlicht seine eigenen Gründe, einem Aufschub zuzustimmen – Konrad von Montferrat weigerte sich nämlich beharrlich, den Anteil Philipp Augusts an den muslimischen Gefangenen herauszugeben, die sich jetzt in Tyros aufhielten. Damit war Richard zeitweise außerstande, seinen Teil der Abmachung einzuhalten.
    Mitte August jedoch war dieses Hindernis beseitigt, Hugo von Burgund hatte den Grafen zur Räson gebracht, und die Gefangenen waren übergeben worden. Nun, da alles geregelt war, wollte Richard nur noch so bald wie möglich aufbrechen. An dieser Stelle werden nun die zeitgenössischen Berichte immer verworrener; die lateinischen und die muslimischen Augenzeugen hüllen die genauen Details der Ereignisse in einen Nebel gegenseitiger Beschuldigungen. Saladin muss aber wohl seinen Gegner falsch eingeschätzt haben. Mancher moderne Kommentator vermutet, der Sultan habe nicht so ohne weiteres das nötige Geld sowie die auszutauschenden Gefangenen zusammenbekommen, doch das ist durch zeitgenössische Zeugnisse nicht zu belegen. Wahrscheinlicher ist, dass Saladin, als der Termin für die erste Rate – der 12. August – verstrich, sich ganz bewusst auf Ausweichmanöver verlegte. Zu Richards offensichtlicher Empörung versuchten die Unterhändler Saladins nun, der Vereinbarung neue Bedingungen hinzuzufügen, sie forderten die Freilassung der gesamten Garnison gleich im ersten Schritt, später sollten dann Geiseln ausgetauscht werden, um die Zahlung der noch ausstehenden 100 000 Dinare zu garantieren. Der König lehnte rundweg ab. Damit war ein toter Punkt erreicht.
    In seinem Heerlager bei Saffaram muss der Sultan wohl gedacht haben, dass es noch einen Verhandlungsspielraum gab, dass Richard in der Hoffnung, irgendwann zu einer Lösung zu kommen, einen weiteren Aufschub hinnehmen würde. Er täuschte sich. Am Nachmittag des 20. August marschierten Richards Männer in großer Zahl aus Akkon heraus und schlugen auf der Ebene vor Akkon jenseits der alten Kreuzfahrergräben ein provisorisches Lager auf. Saladins Vorhut, die von ihrem Beobachtungsposten Tell al-Ayyadiya her Ausschau hielt, war irritiert von dieser plötzlichen Hektik. Die Männer der Vorhut zogen sich nach Tell Kaisan zurück und schickten eine dringende Nachricht an den Sultan. Dann enthüllte Richard seine wahren Absichten. Der größte Teil [487] der muslimischen Garnison Akkons – um die 2700 Mann – wurde in Fesseln aus der Stadt herausgebracht und auf dem Feld vor den Zelten der Franken aufgestellt. Sie drängten sich verwirrt und furchtsam zusammen. Sollten sie etwa freigelassen werden?
    Dann machten sich die Franken wie ein Mann über sie her, und mit Schwertstreichen und -hieben metzelten sie sie kaltblütig nieder, während die muslimische Vorhut aus der Ferne zuschaute und nicht wusste, was sie tun sollte.
    Die Männer Saladins unternahmen – zu spät, um noch irgendjemanden zu retten – einen Gegenangriff, wurden aber schnell zurückgeschlagen. Als die Sonne unterging, zog sich Richard nach Akkon zurück. Er hinterließ die Ebene leichenübersät, blutgetränkt. Seine Botschaft an den Sultan war überwältigend eindeutig: So sah das Spiel aus, das Richard zu spielen gedachte. Skrupellosigkeit brachte er in den Krieg um das Heilige Land ein.
    Kein Ereignis in Richards Leben stieß auf stärkeren Widerspruch und mehr Abscheu als dieses kühl kalkulierte Massaker. Saladins Berater Baha ad-Din beschrieb, wie einzelne Muslime am nächsten Morgen die Ebene absuchten, und er denkt über die Gründe für das Gemetzel nach:
    Sie fanden die Märtyrer, wo sie gefallen waren, und einige konnten

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