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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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mit weiterer Verstärkung aus Akkon zu ihnen stoßen sollte. Als jedoch immer mehr Zeit verstrich und nichts geschah, wurden die tief verwurzelten Unstimmigkeiten spürbar, die in Askalon noch überspielt werden konnten, und bald hatten sich die Franken in eine erbitterte Debatte um Strategie und Führungsfragen verrannt.
    Am 20. Juni berichteten Saladins Späher, eine große Gruppe Kreuzfahrer sei von Beit Nuba aufgebrochen. Das versetzte den Sultan in große Unruhe, weil er genau in diesen Tagen eine große Karawane mit Nachschub aus Ägypten erwartete. Saladin befürchtete, die Franken könnten die Kolonne abfangen und sich die überlebenswichtigen Waren aneignen, die sie mit sich führte, daher schickte er unverzüglich Boten aus, um [541] den muslimischen Geleitzug zu warnen. Diese trafen mit der Karawane zusammen, und man bewegte sich gemeinsam vorsichtig weiter in Richtung Hebron, als Richard noch vor Tagesanbruch am 24. Juni einen dreisten Überfall anführte. Wie von Saladin befürchtet, hatte der König durch einen seiner Spione von der Karawane erfahren und war, wie elektrisiert von der Aussicht auf reiche Beute, sofort in Richtung Süden aufgebrochen. Drei Tage lang ließ er die Karawane durch seine örtlichen Informanten beobachten und entfesselte dann einen auf die Minute genau geplanten Überraschungsangriff. Nach erbitterten Kämpfen siegten die Lateiner. Der Großteil der muslimischen Eskorte konnte entkommen, doch sie hinterließ überreiche Beute: kostbare Waren, darunter Gold, Silber und Seide; Waffen und Rüstungen; Zelte; Nahrungsmittel wie Zwieback, Weizen, Mehl, Gewürze wie Pfeffer, Zucker und Zimt; und »eine große Menge an Likören und Medizin«. Wahrscheinlich noch nützlicher waren buchstäblich Tausende Lasttiere: Kamele, Dromedare, Pferde, Maulesel und Esel.
    Die Nachricht von dieser Katastrophe versetzte Jerusalem in den Alarmzustand. Saladin hatte nicht nur Riesenmengen an dringend benötigten Vorräten verloren, die jetzt allesamt seinen Feinden zugutekamen, es war ihm natürlich auch klar, dass die Lateiner den enormen Zuwachs an Packtieren benutzen konnten, um weitere Ressourcen von Jaffa aus landeinwärts zu transportieren. Als das Überfallkommando der Kreuzfahrer am 29. Juni nach Beit Nuba zurückkehrte, begann der Sultan, »die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass man einer Belagerung standhalten konnte«. Baha ad-Din, der sich damals auch in der Stadt aufhielt, erinnert sich, dass sein Herr »begann, die Wasserquellen außerhalb Jerusalems zu vergiften, er ließ die Wasserlöcher und Zisternen zerstören, so dass es um Jerusalem herum überhaupt kein Trinkwasser mehr gab«, und er fügt hinzu, dass der Sultan außerdem »Truppen aus allen Teilen seines Landes zusammenzog«. 3
    Die Entscheidung
    Anfang Juli 1192 stand es für Saladin offenbar unumstößlich fest, dass die Franken in Kürze zu ihrem letzten Schlag gegen Jerusalem ausholen würden. Der Augenblick der Entscheidung, die Krise, der er hoffte ausweichen zu können, stand unmittelbar bevor. Am Donnerstag, dem [542] 2. Juli, versammelte der Sultan seine engsten Vertrauten unter den Emiren, um das weitere Vorgehen zu beraten. Die Zusammenkunft fand in grimmig-düsterer Atmosphäre statt: Saladin saß inmitten seiner Feldherren und Berater, die ihm in langen Kriegs- und Eroberungsjahren treu gedient hatten. Auch Abu’l Haija der Dicke war dabei, obwohl sein legendärer Körperumfang nun zu einem solchen Ausmaß angeschwollen war, dass er kaum mehr laufen konnte und »einen Stuhl« brauchte, »auf dem er in Gegenwart des Sultans sitzen musste«.
    Auch Baha ad-Din war anwesend, und er berichtet, Saladin habe bei seinen Hauptleuten ein Gefühl von Standhaftigkeit und Entschlossenheit hervorrufen wollen, indem er sie wiederholt an ihre Pflichten und an ihre Verantwortung erinnerte: »Ihr wisst, dass ihr heute das Heer und das Bollwerk des Islams seid [. . .]. Es gibt außer euch keinen Muslim, der dem Feind entgegentreten kann, und die Muslime aller Länder hängen von euch ab.« Die Emire antworteten auf diesen Appell, indem sie ihre Bereitschaft bekundeten, für den Sultan, ihren Herrn und Meister, bis zum Tod zu kämpfen, was, so wird berichtet, das Herz des Sultans »höchlich erfreute«.
    Später am selben Tag jedoch, nachdem die Teilnehmer an der Unterredung sich entfernt hatten, empfing Saladin ein privates Sendschreiben von Abu’l Haija. Darin warnte dieser den Sultan, unter der Fassade von Treue und Einheit

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