Die Kreuzzüge
bezahlen. Am Wohlstand Ägyptens hatte sich nichts geändert, und von dort flossen ihm auch stetig neue Mittel zu; da aber Richard die Stadt Askalon zurückerobert hatte, waren die Verbindungswege zwischen Syrien und der Nilregion ernsthaft bedroht.
Diese wirtschaftlichen Probleme berührten auch seine zweite Sorge: Die Truppen standen ihm nicht mehr so selbstverständlich zur Verfügung, auch die Loyalität seiner Verbündeten hatte nachgelassen. In den vergangenen vier Jahren nahezu ununterbrochener Militäraktionen hatte er von seinen Truppen, die er aus seinen eigenen Territorien in Ägypten, Syrien und der Dschazira rekrutiert hatte, zu viel verlangt. Darüber hinaus hatte er auch seine Verbündeten in Mesopotamien und Diyar Bakr über die Maßen beansprucht. Es zeugt von seinem überragendem Charisma als Heerführer, von der Wirksamkeit seiner politischen und religiösen Propaganda, auch von der Faszination der Dschihad-Idee für die Gläubigen, dass selbst potentielle Rivalen wie Zangid Izz ad-Din von Mosul und Imad ad-Din Zangi von Sindschar ihrem Bekenntnis zum heiligen Krieg treu geblieben waren und Saladins Ruf zu den Waffen nach wie vor folgten. Doch grenzenlos war diese Bereitschaft nicht. Wenn der Konflikt in Palästina unvermindert weiterbestand, dann war es nur eine Frage der Zeit, bis die Bande der Loyalität und des einen gemeinsamen Zieles, die die muslimische Welt zusammenhielten, anfingen brüchig zu werden. Daher ließ Saladin sich im Dezember des Jahres 1192 auf das Risiko ein, sein Heer aufzulösen.
Zum Verdruss des Sultans wurden diese vielfältigen Probleme noch verschlimmert durch erste Anzeichen nachlassender Loyalität innerhalb seiner eigenen Familie. Im März 1191 hatte Saladin seinem geschätzten und fähigen Neffen Taqi ad-Din einen Gebietsanteil in der Dschazira östlich des Euphrats zugesprochen, der auch die Städte Edessa und Harran [536] umfasste. Im November desselben Jahres, gerade als die Lateiner auf die Heilige Stadt zumarschierten, erreichte den tief betrübten Sultan die Nachricht, dass Taqi ad-Din nach einer Krankheit gestorben war. Zu Beginn des Jahres 1192 zeigten sich dann bei al-Mansur Muhammad, dem erwachsenen Sohn Taqi ad-Dins, erste »Anzeichen von Rebellion« (so beschrieb es einer von Saladins Beratern). Al-Mansur befürchtete, ein Teil seines Erbes sei gefährdet, und versuchte seinen Großonkel zu überreden, ihm entweder seine Rechte auf das Territorium in der Dschazira zu bestätigen oder ihm stattdessen andere Landstriche in Syrien zu übereignen. In dieser Bitte schwang ganz deutlich die Drohung mit, al-Mansur werde andernfalls im Nordosten Aufstände gegen die Ajjubiden anzetteln.
Saladin war erschüttert, dass ein Mitglied seiner eigenen Familie so eklatant die übliche Loyalität vermissen ließ, und seine Stimmung verbesserte sich nicht im Geringsten, als al-Mansur versuchte, al-Adil als Vermittler einzuschalten – im Gegenteil: Als der Sultan von diesem intriganten Verhalten erfuhr, geriet er offenbar »außer sich vor Wut«. Die ganze Angelegenheit entwickelte sich zu einem verhängnisvollen Nebenkriegsschauplatz, auf dem es noch den ganzen Frühsommer des Jahres 1192 über gärte. Als erste Reaktion entsandte Saladin im April seinen ältesten Sohn al-Afdal, der die Dschazira wieder in Besitz nehmen sollte; er gab ihm außerdem die Vollmacht, falls es notwendig sein sollte, seinen Bruder al-Zahir aus Aleppo zu Hilfe zu holen. Ende Mai schließlich lenkte der Sultan ein. Al-Adil scheint als Schiedsrichter einen gewissen Druck ausgeübt zu haben, und der Emir Abu’l Haija riet während einer Versammlung, in der dieser Fall besprochen wurde, ebenfalls nachdrücklich zur Milde: Er gab zu bedenken, dass es nicht anging, gleichzeitig muslimische Glaubensbrüder und »Ungläubige« zu bekämpfen. Saladin gab dann den Ansprüchen al-Mansurs doch statt und übereignete ihm Land in Nordsyrien, außerdem wurden al-Adil Rechte an Harran und Edessa zugesprochen. Allerdings tat sich aufgrund dieser ziemlich unvermittelten Versöhnung ein Riss zwischen Saladin und al-Afdal auf. Dieser war verärgert über die schwankende Haltung seines Vaters und dessen Entscheidung, al-Adil zu belohnen, und er zeigte sich daraufhin auffallend unwillig, nach Palästina zurückzukehren: Zuerst blieb er in Aleppo, dann hielt er sich noch eine Weile in Damaskus auf und entzog damit dem Sultan wertvolle Kampfkraft. 1
Anfang 1192 hatte Saladin mit finanzieller Unsicherheit,
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