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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Anhänger für einen Strategiewechsel einsetzte und den Rat gab, dass die Lateiner sich sofort zu einem Feldzug nach Ägypten auf den Weg machen sollten – er hatte ja in Akkon schon eine Flotte vor Anker liegen, die nur darauf wartete, Hilfsgüter an den Nil zu transportieren. Er versprach, aus seiner eigenen Kasse 700 Ritter und 2000 Bewaffnete zu finanzieren; auch anderen Teilnehmern bot er finanzielle Hilfe an. So sah das Programm aus, das er wohl schon in Askalon vorgetragen hätte, wenn er nicht von seinen Zweifeln und Bedenken so zermürbt gewesen wäre.
    Allerdings hatte der König nun zugelassen, dass die Kreuzfahrer sich schon zum zweiten Mal nur wenige Wegstunden von Jerusalem entfernt befanden. In dieser Situation war jeder Versuch, militärischen Realismus über religiösen Eifer zu stellen, höchst problematisch. Trotzdem tat er alles, um seinen Plan durchzusetzen: Er bestellte eine voreingenommene Jury, die natürlich zu dem Schluss kam, dass »es für das Land am besten ist, wenn [Ägypten] erobert wird«. Als Hugo von Burgund und die Franzosen dieser Erklärung widersprachen und verkündeten, dass »sie keinesfalls anderweitig vorrücken würden außer zu einer Belagerung Jerusalems«, war ein toter Punkt erreicht. 5
    Richard hatte zugelassen, dass der dritte Kreuzzug in dieser tödlichen Sackgasse endete, und seine Reaktion darauf war erschreckend unprofessionell. In einem Anfall erbärmlicher Dickköpfigkeit trat er als Oberbefehlshaber zurück: Er verkündete, dass er zwar bleiben, aber das Unternehmen [545] nicht mehr leiten werde. Womöglich war das eine Provokation, die seine Gegner vor den Kopf stoßen und zum Schweigen bringen sollte, aber wenn das der Fall war, dann lief sie ins Leere. Als er an diesem kritischen Punkt seine Verantwortung abgab, bekannte er nur eine vernichtende Wahrheit: Der große König von England war nicht mehr im Besitz der Macht und der visionären Kraft, mit der er den Kreuzzug hätte anführen können.
    Am 20. Juni beflügelte die Nachricht von der Nachschubkarawane aus Ägypten für kurze Zeit wieder die allgemeine Handlungsbereitschaft, und die Zwistigkeiten wurden kurz zurückgestellt, doch als das Überfallkommando am 29. Juni wieder nach Beit Nuba zurückkehrte, ging das Gezänk weiter. Lateinische Augenzeugen beschrieben, wie die Leute »jammerten und klagten«; sie »trauerten«, weil ihnen der Vormarsch auf die Heilige Stadt wieder verwehrt war. Anfang Juli hatten die anhaltenden Wirren den Kreuzzug regelrecht schachmatt gesetzt. Die Franzosen scheinen am 3. Juli einen letzten Versuch unternommen zu haben, die Stadt anzugreifen, doch ohne Richards Unterstützung brach die Initiative schnell zusammen. Da der Weg nach Jerusalem also verschlossen war, fügte sich das Heer der Christen schließlich in das Unausweichliche und trat niedergeschlagen den Rückzug an. Ambroise berichtet: Als sich die Nachricht im Heer verbreitete, dass »sie nicht das Heilige Grab würden verehren können, das nur vier Wegstunden entfernt war, füllte sich ihr Herz mit Kummer, und sie machten sich so entmutigt und unglücklich auf den Rückweg, dass es noch nie ein erwähltes Volk gab, das bedrückter und verstörter gewesen wäre.« 6
    Dieser Umschwung markierte den Tiefpunkt in Richards Karriere als Kreuzfahrer. In diesem Sommer hatte er sich als Feldherr eines fatalen Fehlgriffs schuldig gemacht. Sein Irrtum bestand nicht in dem Entschluss, von einer Belagerung von Jerusalem abzusehen – wie schon im Januar 1192 hielt er sich zu Recht an die Vorgaben militärischer Logik und kam zu dem Schluss, dass die mit einem Angriff auf die Heilige Stadt verbundenen Risiken zu groß waren. Sein Fehler war vielmehr, dass er sein Wissen nicht zum Ausdruck gebracht hatte, als er noch in Askalon war; dass er es versäumte, den Feldzug sicher unter Kontrolle zu behalten, und dass er den lateinischen Truppen dann noch erlaubte, sich der Heiligen Stadt ein zweites Mal bis auf einen Tagesmarsch Entfernung zu nähern. Die Erfolgsaussichten des dritten Kreuzzugs waren bereits durch [546] Richards Unentschlossenheit beim ersten abgebrochenen Marsch auf Jerusalem Ende 1191 ernsthaft geschmälert worden. Jetzt, im Juli 1192, hatte der erneute Abbruch einen verheerenden Effekt auf die Moral der Franken und versetzte der Christenheit im Heiligen Land einen tödlichen Schlag.
    ENDSPIEL
    Bis zum Sommer 1192 hatten sich Saladin und Richard gegenseitig in eine Sackgasse manövriert. Der Sultan hatte den

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