Die Kreuzzüge
hatte er sich dem Sultan zumindest ebenbürtig gezeigt. Saladin aber war zwar geschlagen, aber nicht besiegt. Jerusalem war dem Islam erhalten [550] geblieben; das ajjubidische Reich bestand fort. Und nun, da der Kreuzzug zu Ende war und König Richard sich auf dem Weg zurück nach Europa befand, taten sich neue Perspektiven auf zukünftige Triumphe auf – die Möglichkeit, das Werk zu vollenden, das bei Hattin begonnen worden war.
Das Ende eines langen Weges
Als die Nachricht, dass König Richard das Heilige Land verlassen habe, definitiv bestätigt war, konnte Saladin endlich seine Truppen entlassen. Er erwog, eine Pilgerreise nach Mekka zu unternehmen, doch die Aufgaben in seinem Reich waren vordringlicher. So reiste er durch seine Territorien in Palästina und kehrte dann nach Syrien zurück, wo er einen verregneten Winter in Damaskus verbrachte. Beim Abschied von seinem Sohn al-Zahir soll er diesem geraten haben, sich nicht zu sehr auf Gewalt zu verlassen – er warnte ihn: »Blut schläft nie.«
Anfang 1193 verschlechterte sich Saladins Gesundheitszustand, und er zeigte erste besorgniserregende Zeichen von Erschöpfung. Baha ad-Din stellte fest, dass »sein Körper ganz geschwollen aussah, und er war ingesamt sehr ermattet«. Am 20. Februar wurde der Sultan krank, er bekam hohes Fieber und litt unter starker Übelkeit. In den folgenden Tagen wurde er immer schwächer. Baha ad-Din und al-Fadil suchten ihren Herrn jeden Morgen und jeden Abend in seinen Gemächern in der Zitadelle auf; auch al-Afdal blieb immer in seiner Nähe. Anfang März hatte sich das Fieber so verschlimmert, dass der Schweiß des Sultans durch die Matratze auf den Boden tropfte und der Kranke immer wieder das Bewusstsein verlor. Baha ad-Din beschreibt, wie am 3. März 1193
[. . .] die Krankheit des Sultans immer schlimmer wurde und seine Kräfte immer mehr schwanden [. . .] [ein Imam] wurde aufgefordert, die Nacht in der Zitadelle zu verbringen, er sollte, wenn der Todeskampf einsetzte, beim Sultan sein, ihm sein Glaubensbekenntnis vorsprechen und Gott in seinem Geist gegenwärtig halten. Das wurde ausgeführt, und wir verließen die Zitadelle, jeder Einzelne bereit, sein Leben für das des Sultans zu geben.
Am frühen Morgen, während der Imam neben ihm aus dem Koran vorlas, starb Saladin im Alter von 55 Jahren. Beigesetzt wurde er in einem [551] Mausoleum auf dem Gelände der großen Omajjaden-Moschee in Damaskus. Sein Grab befindet sich dort noch heute. 9
Saladins frühe Jahre waren geprägt von Ehrgeiz und Ruhmsucht, von dem Willen, den Zangiden die Macht zu entreißen und ein neues, ausgedehntes ajjubidisches Reich zu begründen. Er war nur allzu bereit gewesen, seine Feinde, seien es nun Muslime oder Christen, mit gezielter Propaganda zu diffamieren. Sein Engagement für den Dschihad, das in seinem Leben erst nach einer Krankheit eine entscheidende Rolle spielte, war immer begleitet von dem Willen, im heiligen Krieg ein Führer des Islams zu sein und nicht nur als Gefolgsmann zu dienen.
Gleichwohl scheint er von wahrem religiösen Eifer beseelt gewesen zu sein, und er war zutiefst überzeugt von der Heiligkeit Jerusalems für den Islam. In jüngster Zeit kam die Meinung auf, nach 1187 habe »Saladins innere Hingabe an den Dschihad nachgelassen«, als er das große Ziel der Rückeroberung der Heiligen Stadt erreicht hatte. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn sich etwas an seinem Engagement änderte, dann vertiefte es sich während des dritten Kreuzzugs eher – trotz aller Rückschläge und Niederlagen. Außerdem war seine Vision von einer Einheit aller Muslime zwar nicht absolut, aber im 12. Jahrhundert reichte nichts an sie heran. In der Welt der Kreuzzüge erkannten seine Gegner wie auch seine Verbündeten, dass der Sultan ein herausragender Menschenführer war. Selbst sein zeitweiliger Kritiker, der irakische Historiker und Sympathisant der Zangiden Ibn al-Athir, bezeugt:
Saladin (möge Gott ihm gnädig sein) war großzügig, nachsichtig, von guter Wesensart, demütig, bereit, sich mit Ärgernissen abzufinden, und durchaus willens, die Fehler seiner Gefolgsleute zu verzeihen [. . .]. Kurz, er war zu seiner Zeit ein Mann, wie man nur wenige findet, er hatte viele gute Eigenschaften und vollbrachte viele gute Taten, er war ein mächtiger Kämpfer im Dschihad gegen die Ungläubigen, was seine Eroberungen beweisen. 10
Vor allem eine Frage steht über jedem Versuch, Saladins Leben und seine Leistungen zu beurteilen: Ging es ihm in
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