Die Kreuzzüge
zurückerobert worden. Als Jakob von Vitry im Osten ankam, hatte das Königshaus von Jerusalem seinen Sitz nach Akkon verlegt. Nördlich schloss sich die Grafschaft Tripolis an, die im Libanon einen Stützpunkt halten konnte, während mehrere Festungen der Templer und Johanniter das fränkische Gebiet noch ein Stück weit in den Norden ausdehnten. Da aber die Muslime nach wie vor das Gebiet um Latakia herum beherrschten, gab es zum Fürstentum Antiochia keine Landverbindung, und das vormals so stolze Fürstentum selbst war auf ein winziges Stück Land um die Stadt Antiochia herum geschrumpft.
Die einzelnen Kreuzfahrerstaaten wurden durch erbitterte Erbfolgestreitigkeiten noch verletzlicher. Heinrich von Champagne, Herrscher im fränkischen Palästina seit dem Ende des dritten Kreuzzugs, starb im Jahr 1197 durch einen Unfall – er stürzte in Akkon aus dem Fenster seines Palasts, als ein Geländer nachgab. Das einzige überlebende Mitglied der königlichen Familie, Isabella (die Witwe Heinrichs), wurde mit Aimery vermählt, einem Mitglied der Lusignan-Dynastie, der dann bis zum Jahr 1205 regierte; er starb, weil er zu viel Fisch gegessen hatte. Isabella starb nur kurze Zeit danach. Dann ging der Königstitel an Isabellas Kind aus ihrer früheren Ehe mit Konrad von Montferrat über, und die Erbfolge im Königreich Jerusalem wuchs sich zu einem höchst verwickelten Gewebe aus Heiraten, minderjährigen Herrschern und Regentschaften aus, das sich fast über das gesamte 13. Jahrhundert erstreckte – eine Situation, in der ein Großteil der Macht an die fränkischen Barone überging.
In den ersten Jahrzehnten ragten vor allem zwei Persönlichkeiten aus diesem Durcheinander heraus: Johann von Ibelin, Sohn Balians von Ibelin, amtierte zwischen 1205 und 1210 als Regent für die königliche Erbin Maria und wurde zum wichtigsten lateinischen Baron in Palästina. Zwar hatte die Ibelin-Dynastie ihr früheres Stammland Ibelin und Ramla an die Muslime verloren, dennoch war die Familie in diesem Zeitraum erfolgreich. Johann erhielt die wertvolle Lehnsherrschaft über Beirut, und seine Familie pflegte wichtige Beziehungen mit dem fränkischen Zypern.
[578] Der Einfluss Ibelins wurde durch den neu in der Levante eingetroffenen Johann von Brienne bedroht, einen französischen Ritter aus der Champagne aus dem mittleren Adel. Im Jahr 1210 heiratete Johann Maria und herrschte nach ihrem Tod im Jahr 1212 als Regent für Isabella II., ihre kleine Tochter. Johann, um die 40 Jahre alt, war ein erfahrener Krieger, und viele seiner Vorfahren waren Kreuzfahrer gewesen, allerdings fehlten ihm Vermögen sowie Beziehungen zu den europäischen Monarchen. Er verwandte viel Energie und Zeit darauf, sein Recht auf die Krone von Jerusalem zu verteidigen, und trat trotz des Protests der alteingesessenen Aristokraten als König auf. Als weiteren Versuch, seine Stellung zu verbessern, heiratete er im Jahr 1214 Prinzessin Stephanie, die Erbin des christlich-armenischen Königreichs.
Unter der geschickten Führung seines letzten Rubeniden-Herrschers König Leon I. (er regierte als Fürst Leon II. zwischen 1187 und 1198 und dann als König zwischen 1198 und 1218) wurde das christliche Königreich Kilikien während des 13. Jahrhunderts in Nordsyrien und Kleinasien zu einer einflussreichen Größe. Durch eine Mischung aus militärischer Konfrontation und Heiratspolitik wurde Leons Rubeniden-Dynastie eng in die Geschichte des lateinischen Antiochia und Tripolis eingebunden. Nach dem Tod des Grafen Raimund III. von Tripolis verwischte sich die Trennung der Erbfolgelinien der Grafschaft und des Fürstentums, und bis zum Jahr 1219 zog sich ein Machtkampf zwischen fränkischen und armenischen Anwärtern hin, der noch verwickelter als die Streitigkeiten in Palästina war. 1219 sicherte sich dann Bohemund IV. die Herrschaft über Antiochia wie auch über Tripolis. 8
Diese anhaltenden Konflikte schwächten die Christen Outremers in den ersten Jahrzehnten des neuen Jahrhunderts, und eine klare Linie im Blick auf etwaige Wiedereroberungen war nicht mehr zu erkennen. (Vergleichbare Probleme prägten dann auch das restliche Jahrhundert.) In gewisser Weise wurde allerdings der Schaden, der durch diese kleinlichen Zänkereien entstand, durch die Uneinigkeit relativiert, die auch den Islam zerriss.
Das Schicksal des ajjubidischen Reiches
Nach Saladins Tod im Jahr 1193 zerbrach das Ajjubidenreich, das er im Lauf zweier Jahrzehnte aufgebaut hatte, fast über Nacht. Der
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