Die Kreuzzüge
Sultan [579] hatte verfügt, dass der Großteil seines Territoriums unter dreien seiner Söhne als eine Art Konföderation aufgeteilt werden sollte: Sein ältester Sohn al-Afdal erhielt Damaskus und die Oberherrschaft über das gesamte ajjubidische Gebiet. Al-Zahir sollte Aleppo übernehmen, und Uthman sollte von Kairo aus Ägypten regieren. In Wirklichkeit verschob sich jedoch die Machtbalance binnen kurzem in Richtung von Saladins cleverem Bruder al-Adil. Ihm war die Herrschaft über die Dschazira (im Nordwesten Mesopotamiens) übertragen worden, doch mit seiner diplomatischen Gewitztheit und seinem Geschick als politischer und militärischer Stratege gelang es ihm, seine Neffen zu entmachten. Al-Adils Aufstieg wurde durch al-Afdals Unfähigkeit als Herrscher in Damaskus weiter begünstigt. Al-Afdal machte sich dort binnen kürzester Zeit viele der engsten Vertrauten seines Vaters zu Feinden und war im Jahr 1196 nicht mehr in der Lage, Syrien zu regieren. Al-Adil trat dann in diesem Jahr – zumindest offiziell – als Gesandter Uthmans auf und übernahm die Macht in Damaskus, al-Afdal wurde als ohnmächtiger Exilant in die Dschazira geschickt. Als dann Uthman 1198 starb, übernahm al-Adil die Herrschaft über Ägypten, und bis zum Jahr 1202 hatte al-Zahir sich mit der Vormachtstellung seines Onkels abgefunden.
In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts befand sich also der Löwenanteil der ajjubidischen Welt in der Hand al-Adils und seiner direkten Nachkommen, während al-Zahir und seine Nachfahren die Herrschaft über Aleppo behielten. Al-Adil regierte als Sultan und setzte drei seiner eigenen Söhne als Emire für einzelne Gebiete ein: al-Kamil in Ägypten, al-Muazzam in Damaskus und al-Ashraf in der Dschazira. Jerusalem spielte in der Politik der Ajjubiden nur eine untergeordnete Rolle und fungierte mit Sicherheit in keiner Weise als Hauptstadt. Trotz seiner religiösen Bedeutung hatte Jerusalem aufgrund seiner isolierten Lage in den Bergen Judäas kaum irgendeinen politischen, ökonomischen oder strategischen Wert. Al-Adil und seine Nachfolger unternahmen zwar immer wieder sporadische Versuche, die heiligen Stätten zu pflegen und zu verschönern, doch im Großen und Ganzen wurde die Stadt vernachlässigt. Auch die Idee des Dschihads gegen die Franken geriet in Vergessenheit, obwohl die Ajjubiden sich noch immer mit Titeln schmückten, die aus der Rhetorik des heiligen Krieges stammten.
Faktisch ging al-Adil gegenüber Outremer höchst pragmatisch vor, teilweise weil es unmittelbarere Bedrohungen von anderen Konkurrenten [580] gab: von den zangidischen Muslimen Mesopotamiens, den seldschukischen Türken Anatoliens und dazu noch den orientalischen Christen Armeniens und Georgiens. Zu Beginn seiner Herrschaft schloss al-Adil mit den Franken mehrere Verträge ab, die in den frühen Jahren des 13. Jahrhunderts (1198 – 1204, 1204 – 1210, 1211 – 1217) fast nahtlos aneinander anschlossen und weitgehend eingehalten wurden. Als Sultan vertiefte al-Adil außerdem die Wirtschaftsbeziehungen zu den Handelsmächten Venedig und Pisa.
Trotz der recht zurückhaltenden Beziehungen zwischen Muslimen und Lateinern hätten die Ajjubiden sich wohl durchaus um weiteren Gebietsgewinn auf Kosten Outremers bemüht, wenn es nicht einige weitere Faktoren gegeben hätte, die für die Geschichte der Kreuzfahrerstaaten und den Vorderen Orient insgesamt ausschlaggebend waren. 9
Die Ritterorden
Im Lauf des 13. Jahrhunderts spielten die Ritterorden, also die religiösen Bewegungen, in denen die Berufung zum Mönchtum und die zum Ritterwesen miteinander verschmolzen, eine zunehmend bedeutende Rolle in der Geschichte von Outremer. Die Probleme, mit denen die Kreuzfahrerstaaten von Anfang an zu kämpfen hatten – ihrer isolierten Lage fern von Europa und der Unterversorgung mit Menschen und Material –, vertieften sich nach dem dritten Kreuzzug noch weiter. Die Ausdehnung des Kreuzzugsgedankens auf Regionen wie die Iberische Halbinsel und das Baltikum, die heiligen Kriege gegen Feinde des Papstes und Häretiker, außerdem die Aufteilung der finanziellen Mittel, die nötig war, um das neu gebildete Staatswesen des lateinischen Staates »Romania« zu verteidigen – all das trug dazu bei, dass sich die Notlage der fränkischen Levante immer mehr verschärfte. Und natürlich wirkten sich auch die ausgedehnten politischen Querelen innerhalb der noch existierenden Kreuzfahrerstaaten lähmend aus.
Vor diesem Hintergrund konnten sich die
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