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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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schlicht ignoriert wurde. Dann, irgendwann vor dem November des Jahres 1204, erhielt Innozenz einen Brief vom neuen lateinischen Kaiser Balduin, in dem dieser von der Eroberung Konstantinopels berichtete. Balduins Schreiben bot eine offenbar stark geschönte Darstellung der Ereignisse, er feierte die Eroberung als großen Triumph für die Christenheit, und trotz seiner vorherigen Missbilligung reagierte der Papst zunächst begeistert. Es hatte den Anschein, dass aufgrund des unerforschlichen göttlichen Ratschlusses die Kirchen des Ostens und des Westens nun auf wunderbare Weise unter römischer Herrschaft zusammengeführt waren und dass mit der Gründung des neuen lateinischen Reiches den Kreuzfahrerstaaten in der Levante nun wesentlich effektiver geholfen werden konnte. Erst später erfuhr der Papst von der gemeinen Habsucht der Kreuzfahrer; seine anfängliche Freude verwandelte sich in Empörung, und er widerrief seine anfängliche Zustimmung und verurteilte das Ergebnis des Kreuzzugs als schändliche Perversion. 4
    [571] DAS FEUER BEWACHEN
    Der Papst war entsetzt über die Art, wie der vierte Kreuzzug außer Kontrolle geraten war, doch es dauerte nicht lang, bis sein angeborener Pragmatismus und der ihm eigene Optimismus ihn veranlassten, seine Absicht, sich die Dynamik eines heiligen Krieges zunutze zu machen, wieder aufzunehmen. Im Lauf des folgenden Jahrzehnts versuchte er verschiedentlich, die Kreuzfahrerbewegung zu benutzen und zu überwachen. Während dieser Zeit richtete er jedoch die Waffen seiner päpstlichen Politik auch auf neue Konfliktschauplätze und gegen mehrere Feinde. Teilweise reagierte er auf neue Bedrohungen; so wurden etwa Feldzüge gegen die heidnischen Liven im Baltikum und gegen die almohadischen Mauren Spaniens unternommen. Und obwohl der Papst die Umstände der Entstehung des neuen lateinischen Reiches zutiefst missbilligte, war er sich doch darüber im Klaren, dass das neu gegründete »Romania« nicht ohne Schutz bleiben durfte, wenn es im größeren Kampf um die Rettung des Heiligen Landes irgendeine tragende Rolle spielen sollte. Daher wurden weitere Kreuzfahrer angespornt, Konstantinopel zu stützen und zu verstärken. Außerdem entschied der Papst, dass Kreuzzüge auch eine wichtige und unmittelbare Funktion im Rahmen seiner Bemühungen übernehmen konnten, das Abendland selbst einer Reinigung zu unterziehen. Im Jahr 1209 rief er zum sogenannten Albigenser-Kreuzzug gegen die häretischen Katharer im Südosten Frankreichs auf, doch die anschließenden Kampagnen waren von einer schockierenden Brutalität und dabei praktisch wirkungslos, weil sie vollständig den eigennützigen Zielen der nordfranzösischen Teilnehmer untergeordnet wurden.
    Ein volkstümlicher Ausbruch ekstatischer Frömmigkeit ereignete sich im Jahr 1212, als aus Gründen, die nicht mehr genau festzustellen sind (die vielleicht aber etwas mit den Aufrufen zum Albigenser-Kreuzzug zu tun hatten), große Gruppen von Kindern und Jugendlichen in Nordfrankreich und Deutschland spontan ihre Bereitschaft erklärten, sich für die Kreuzzugsidee einzusetzen. Für den daraus entstehenden »Kinderkreuzzug« versammelten zwei Jugendliche, ein französischer Schäfer aus der Vendôme namens Stephen von Cloyes und ein gewisser Nikolaus von Köln, Scharen junger Gefolgsleute um sich. Sie versprachen, Gott werde sie auf ihrer Reise in die Levante beschützen und ihnen [572] dann die wundersame Kraft geben, den Islam zu besiegen, Jerusalem zurückzuerobern und das Wahre Kreuz wiederzuerlangen. In ihrer Unschuld könnten Kinder den Willen Gottes in einer Weise erfüllen, die den von Sünde besudelten Erwachsenen versagt bleibe. Über das Schicksal dieser »Kreuzfahrer« gibt es kaum überlieferte Zeugnisse, doch erinnerte die Bewegung die Zeitgenossen in Frankreich, Deutschland und Italien und eben auch Papst Innozenz III. in heilsamer Weise daran, dass der Ruf zum Kreuz die Herzen und Gemüter des einfachen Volkes nach wie vor zu bewegen vermochte. 5
    Im Jahr 1213 gelangte Innozenz zu der Erkenntnis, dass die erweiterten Ziele des heiligen Krieges letztlich zu einer Schwächung des lateinischen Orients geführt hatten, weil sie den Westen von der Notlage im Heiligen Land abgelenkt hatten. Daher revidierte er seine Politik: Er entzog den Konflikten in Spanien, im Baltikum und in Südfrankreich den Rang von Kreuzzügen, leitete die geballte Energie der Kreuzzugsbegeisterung wieder auf die Eroberung Jerusalems zurück und verkündete

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