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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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ein neues, großes Unternehmen: den fünften Kreuzzug. Gleichzeitig unternahm er erneut Anstrengungen, als Papst selbst die vollständige Kontrolle über die Organisation und den Einsatz religiös legitimierter Gewalt in der Hand zu behalten.
    Stärker als zuvor war er bemüht, die Aufrufe zum fünften Kreuzzug zu reglementieren. Innozenz berief Gruppen handverlesener Kleriker, die den Ruf zu den Waffen unters Volk bringen sollten, und regionale Verwalter, die die Anwerbungskampagnen leiteten. Außerdem regte er die Herstellung von Predigthandbüchern an, in denen Modellpredigten zusammengefasst waren, und brachte Richtlinien zum Verhalten von Predigern heraus. Aus Frankreich, bislang immer Zentrum des Kreuzzugsenthusiasmus, leisteten nur wenige dem Aufruf Folge, dafür war die Reaktion in anderen Ländern dramatisch. Hingerissen von virtuosen Rednern wie dem französischen Kleriker Jakob von Vitry oder dem deutschen Prediger Oliver von Paderborn, deren Predigten häufig von »Wundern« begleitet wurden, wie etwa dem Auftauchen strahlender Kreuze am Himmel, nahmen Tausende erfahrene Ritter aus Ungarn, den deutschen Ländern, Italien, den Niederlanden und England das Kreuz.
    Innozenz’ Initiativen auf dem Sektor der Finanzierung des Kreuzzugs hatten aber noch andere, problematischere Folgen. Bisher hatte er immer gefordert, dass nur erfahrene Krieger das Schwert nehmen sollten, denn [573] nur so ließ sich seiner Meinung nach ein kompaktes, schlagkräftiges Kreuzzugsheer aufstellen. Im Jahr 1213 vollzog er dann scheinbar eine Kehrtwende: Er verkündete, möglichst viele Menschen sollten ermutigt werden, sich für die Teilnahme am Kreuzzug eintragen zu lassen, ungeachtet der Frage, ob sie zum Kämpfer im heiligen Krieg taugten oder nicht. Mit diesem Öffnen der Schleusen reagierte Innozenz möglicherweise auf den Kinderkreuzzug der jüngsten Vergangenheit, der so nachdrücklich vor Augen geführt hatte, wie weit der Kreuzzugsenthusiasmus im Abendland nach wie vor verbreitet war und wie tief er reichte.
    Die neue Richtung des Papstes hatte jedoch noch einen weiteren Aspekt. Jahre zuvor, als er den Aufruf zum vierten Kreuzzug vorbereitete, hatte er verkündet, dass Geldbeträge, die zur Unterstützung des heiligen Krieges gespendet wurden, mit einem Ablass belohnt werden konnten. Nun erweiterte er diese Vorstellung. Innozenz hoffte zwar, viele Tausende würden seinem erneuten Aufruf nachkommen, aber er verkündete gleichzeitig, dass diejenigen, die das Kreuz nahmen und sich außerstande sahen, selbst mit der Waffe zu kämpfen, ihr Kreuzzugsgelübde ohne weiteres dadurch ablösen konnten, dass sie Geld bezahlten; auch so sei ihnen der geistige Gewinn sicher. Diese außerordentliche Reform war vielleicht durchaus gut gemeint – sie sollte einerseits dem Kreuzzug zusätzliche finanzielle und militärische Ressourcen erschließen und andererseits das Erlösungspotential eines heiligen Krieges einer größeren Zielgruppe zugänglich machen. Allerdings wurde damit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen. Die Idee, dass spirituelles Verdienst mit Geld erkauft werden kann, führte zur Entwicklung eines komplexen Ablass-Systems, das zum wohl bedenklichsten Stolperstein des lateinischen Katholizismus im Spätmittelalter werden sollte und dann zum entscheidenden Auslöser für die Reformation. Diese bedrohlichen Langzeitfolgen waren natürlich im Jahr 1213 noch nicht abzusehen, doch schon damals stieß die Neuerung des Papstes auf erregte Kritik unter seinen Zeitgenossen und führte im Lauf des 13. Jahrhunderts zu schweren Missbräuchen der Kreuzzugsbewegung.
    Doch der Papst ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen. Der Aufruf zu einem neuen Kreuzzug ins Heilige Land wurde im Jahr 1215 verbreitet, und zwar im Rahmen eines großen kirchlichen Konzils (dem Vierten Laterankonzil), das Innozenz einberufen hatte, um die Lage des Christentums zu erörtern. Diese spektakuläre Versammlung – die größte [574] ihrer Art – war nicht zuletzt ein Beweis für den Machtzuwachs des Papstes, der sich während dieses Pontifikats ergeben hatte. Auch hier war der Papst von dem Wunsch getrieben, Geld für den heiligen Krieg zu beschaffen; daher führte er die höchst unbeliebte Kirchensteuer wieder ein, diesmal mit dem empfindlich erhöhten Satz von einem Zwanzigstel über drei Jahre, und er ernannte Beamte, die für die lückenlose Eintreibung sorgen sollten.
    Nicht einmal ein Jahr später, am 16. Juli 1216, noch bevor der fünfte

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