Die Kreuzzüge
Kreuzzug begann, starb Papst Innozenz III. an einem Fieber, das er sich wahrscheinlich während einer verregneten Kreuzzugspredigt in der Nähe von Perugia zugezogen hatte. 6 Während seines gesamten Pontifikats hatte er sich für den heiligen Krieg eingesetzt. Die auf sein Geheiß durchgeführten Unternehmungen waren zwar nur begrenzt erfolgreich gewesen, doch der unbedingte Wille dieses Papstes, die Kreuzzugsbewegung zu unterstützen und zu optimieren, trug viel dazu bei, ein Phänomen neu zu beleben, das andernfalls womöglich untergegangen wäre. In vielerlei Hinsicht brachte er den Kreuzzugsgedanken in eine Form, die das kommende Jahrhundert und auch die Zeit danach überdauern sollte. Allerdings stellten die viel zu hohen Ziele, die Innozenz sich gesetzt hatte, eine Überforderung der tatsächlich vorhandenen päpstlichen Autorität dar, und seine Versuche, direkten kirchlichen Einfluss auf Kreuzzugskampagnen zu nehmen, waren unausgereift und weltfern.
OUTREMER IM 13. JAHRHUNDERT
Im frühen 13. Jahrhundert, als der Papst intensiv bemüht war, das Potential des Kreuzzugsgedankens zu gestalten und zu nutzen, wurde das Gleichgewicht der Macht im Vorderen Orient empfindlich gestört. In den Jahren nach dem dritten Kreuzzug und dem Tod Saladins waren sowohl Franken als auch Muslime durch den Ausbruch verwickelter Nachfolgekrisen in Palästina, Syrien und Ägypten geschwächt und abgelenkt. Die lateinischen Christen kämpften in der Levante um ihr Leben; nach wie vor hofften sie, die verlorenen Gebiete wiederzuerobern und weiter auszudehnen, doch mussten sie nun neue Wege finden, Outremer zu verteidigen und mit den Muslimen in Kontakt zu treten.
Im Sommer 1216 hatte der französische Geistliche Jakob von Vitry [576] dringende Angelegenheiten in Mittelitalien zu erledigen. Jakob war wohl Anfang fünfzig, ein gelehrter Kleriker und glühender Reformer mit einer erstaunlichen Redebegabung. Er hatte sich bereits als Prediger in den Aktivitäten der Kirche gegen die Albigenser sowie während des Aufrufs zum fünften Kreuzzug verdient gemacht, und seine Predigten trugen möglicherweise auch dazu bei, den sogenannten Kinderkreuzzug ins Leben zu rufen. Jakob sollte ein außerordentlich wertvolles, für die Kreuzzugsbewegung höchst aufschlussreiches Corpus an Schriften hinterlassen, das von Briefen und Berichten bis zu Zusammenstellungen von »Modell«predigten reicht. Im Jahr 1216 war er zum neuen Bischof von Akkon gewählt worden, und bevor er in die Levante aufbrechen konnte, brauchte er die päpstliche Einwilligung und Weihe. Jakob erwartete mit Papst Innozenz III. zusammenzutreffen, doch er traf erst am 17. Juli in Perugia ein, einen Tag nach dem Tod des Papstes. Als er die Kirche betrat, in der Innozenz aufgebahrt war, entdeckte er, dass in der Nacht Räuber den Leichnam des großen Papstes all seiner kostbaren Gewänder beraubt hatten; nur die halbnackte, in der Hochsommerhitze schon verwesende Leiche hatten die Räuber zurückgelassen. »Wie vergänglich und eitel ist doch der trügerische Glanz dieser Welt«, schloss Jakob, als er den Anblick beschrieb.
Am Tag darauf wurde Honorius III. zum Nachfolger des Verstorbenen gewählt, und Jakob erhielt die notwendige Einwilligung. Im Herbst bestieg er dann das Schiff von Genua in Richtung Orient – er hatte eine fünf Wochen lange, gefährliche Reise vor sich und musste mehrere Spätherbststürme über sich ergehen lassen, in denen die Passagiere an Bord »aus lauter Furcht um ihr Leben weder essen noch trinken konnten«. In Akkon traf er Anfang November 1216 ein und begab sich in den Monaten danach auf eine ausgedehnte Predigttour durch Outremer. Er hoffte, vor Beginn des fünften Kreuzzugs die religiöse Begeisterung der christlichen Bevölkerung wieder anzufachen. Die Welt des Vorderen Orients, die er vorfand, war gezeichnet von politischer Instabilität, in der alte Rivalitäten weiterschwelten, während sich neue Mächte aus dem Nichts erhoben. 7
Die Machtbalance im fränkischen Orient
Mit den ihnen verbliebenen Territorien waren die Kreuzfahrerstaaten kaum mehr ein Schatten ihrer selbst. Jerusalem und das Landesinnere [577] von Palästina befanden sich in muslimischer Hand, und das lateinische Königreich »Jerusalem« hätte jetzt eigentlich Königreich Akkon heißen müssen. Es erstreckte sich über einen schmalen Küstenstreifen von Jaffa im Süden bis Beirut im Norden – Beirut war mit der Unterstützung einer Gruppe deutscher Kreuzfahrer im Jahr 1197
Weitere Kostenlose Bücher