Die Kreuzzüge
Fluss übersät mit Lanzen und Schilden und voller Männer und Pferde, die im Wasser ertranken«. Für die Kämpfer in der Umgebung des Königs hatte es den Anschein, als nähme der Zustrom von Feinden kein Ende, und »für jeden getöteten [Muslim] erschien ein anderer, frisch und ausgeruht«. Doch Ludwig blieb standhaft und gab sich nicht geschlagen. Mit seiner Unerschütterlichkeit inspirierte er auch seine Gefolgschaft, und den Christen gelang es, einer Angriffswoge nach der anderen standzuhalten, bis schließlich am frühen Nachmittag die muslimische Offensive abflaute. Bis zum Anbruch der Nacht war es den Franken, wenn auch nur mit Mühe und großen Opfern, gelungen, ihre Position zu halten. 16
[641] Lateinische Quellen bezeichneten die Schlacht von Mansourah als einen großen Sieg der Kreuzfahrer, und in gewisser Hinsicht war es tatsächlich ein Triumph. Trotz erbitterten Widerstands der Feinde konnten die Franken am Südufer des Tanis einen Brückenkopf befestigen. Der Preis für diese Leistung war jedoch sehr hoch. Mit Robert von Artois und seiner Gefolgschaft sowie einem großen Teil der Templer verlor der Feldzug viele seiner tapfersten Kämpfer. In sämtlichen Kämpfen, die noch bevorstanden, sollte sich der Verlust empfindlich bemerkbar machen. Und die Kreuzfahrer hatten zwar den Fluss überquert, doch die Stadt Mansourah lag noch vor ihnen und blockierte ihren Weitermarsch.
ZWISCHEN SIEG UND NIEDERLAGE
Nach der Schlacht von Mansourah befand sich Ludwig IX. in einem strategischen Dilemma. Theoretisch hatte der König zwei Möglichkeiten: den Schaden zu begrenzen und sich wieder über den Fluss zurückzubewegen oder sich am Südufer festzusetzen in der Hoffnung, den ajjubidischen Feind irgendwie zu überwinden. Die erste Möglichkeit wäre einer Bankrotterklärung gleichgekommen. Ein so vorsichtiges Vorgehen hätte zwar eine Neustrukturierung des Kreuzzugsheers erlaubt, aber die Chance, ein zweites Mal mit einem mittlerweile dezimierten Heer ein Angriffsmanöver auf die andere Seite des Flusses zu unternehmen, war verschwindend gering. Hinzugekommen wären die Schande und die Enttäuschung, wenn eine Stellung wieder aufgegeben werden musste, die durch so viele Todesopfer unter den Christen gewonnen worden war. Ludwig mag erkannt haben, dass ein solcher Rückzieher die Stimmung bei den Franken empfindlich und womöglich auf Dauer beeinträchtigen konnte. In jener Nacht oder auch am nächsten Morgen hätte er einen Rückzug befehlen können, doch damit hätte er eingestanden, dass seine Strategie für Ägypten gescheitert war, und damit faktisch das Ende des Kreuzzugs angekündigt.
Ludwig glaubte fest daran, dass sein Handeln von Gott gewollt und unterstützt wurde, außerdem stand er unter dem ständigen Druck, die Ideale des Rittertums hochzuhalten und sich der Leistungen seiner Vorfahren in früheren Kreuzzügen würdig zu erweisen. Daher kann es nicht im Geringsten überraschen, dass er jeglichen Gedanken an Rückzug weit [642] von sich wies. Stattdessen begann er umgehend, seine Stellung am Südufer des Flusses zu befestigen, er ließ Material aus dem eroberten Lager der Muslime herbeischaffen, darunter auch das Holz der 14 übrig gebliebenen Wurfmaschinen, um eine notdürftige Palisade zu errichten, außerdem wurde ein Verteidigungsgraben angelegt. Mehrere kleine Boote wurden aneinandergehängt, wodurch eine behelfsmäßige Brücke über den Tanis entstand, die das alte Lager im Norden mit dem neuen Außenposten der Kreuzfahrer verband. Mit diesen Maßnahmen bereiteten sich die Franken auf den Sturm vor, der ihnen – wie allen völlig klar war – bevorstand. In dieser Phase scheint Ludwig sich an dem früheren Überraschungssieg von Damiette orientiert zu haben: Er war überzeugt, dass der Widerstand der Ajjubiden bald zusammenbrechen musste.
Drei Tage später wurde den Hoffnungen des Königs ein erster Schlag versetzt. Am Freitag, dem 11. Februar, unternahmen die Mamluken unter der Führung der Bahrijja einen massiven Angriff, der sich vom Morgen bis in den Abend hinein hinzog. Tausende Muslime umzingelten das Lager der Kreuzfahrer; mit ständigem Beschuss und blutigen Nahkämpfen hofften sie, die Franken vertreiben zu können. Von christlicher Seite wurde später berichtet, sie hätten »mit so schrecklicher, entsetzlicher Beharrlichkeit« angegriffen, dass viele Lateiner aus Outremer »sagten, sie hätten noch nie einen derart verwegenen, gewalttätigen Anschlag erlebt«. Die ungezügelte
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