Die Kreuzzüge
nilaufwärts zu bewegen. Und selbst wenn sich der König 1249 die Zeit nahm, den Kanal auszukundschaften, führte dieser wohl außerhalb der Nilschwemme im Sommer so wenig Wasser, dass er nicht schiffbar war.
Wie auch immer – am 21. Dezember erreichten die Franken das Ziel ihres Vormarschs und schlugen an genau demselben Ort ihr Lager auf wie die Truppen des fünften Kreuzzugs, nördlich der Gabelung von Nil und Tanis. Die Ajjubiden hatten eine Zeltunterkunft am gegenüberliegenden, südlichen Ufer des Tanis errichtet, aber der Großteil der Truppen war ein Stück weiter südlich untergebracht. Die Bahrijja-Mamluken hingegen hatten ihr Quartier innerhalb von Mansourah (der Ort war seit 1221 nicht mehr nur ein Lagerplatz, er hatte sich zu einer dauerhaft befestigten Siedlung entwickelt). Während Ludwig sich von Damiette aus südwärts bewegte, hatten sich die Ereignisse am Hof der Ajjubiden überstürzt. Nach langem Leiden starb al-Salih am 22. November. Fakhr ed-Din verbündete sich nun mit Schadschar ed-Durr, einer der Witwen des verstorbenen Sultans. Aus muslimischen Quellen geht hervor, dass das Paar alle Anstrengungen unternahm, den Tod al-Salihs zu verheimlichen: Sein Leichnam wurde sorgfältig in Tücher gewickelt, in einen Sarg gelegt und schnell beiseite geschafft; es wurden Dokumente mit gefälschter Unterschrift erstellt, die das Oberkommando über das Heer Fakhr ed-Din übertrugen; und jeden Abend wurde der Tisch für den Sultan gedeckt und dann behauptet, er sei zu krank, um bei Tisch zu erscheinen.
Schadschar ed-Durr beabsichtigte, mit diesem Täuschungsmanöver den Schein ajjubidischer Einheit angesichts der heranrückenden Kreuzfahrer zu wahren und so die Nachfolgefrage in Ruhe klären zu können. Zu diesem Zweck wurde Aqtay, der Oberbefehlshaber der Bahrijja, der [636] Elitetruppe der Mamluken, nach Mesopotamien entsandt, um al-Salihs Sohn und Erben al-Muazzam Turanshah zu bitten, die Herrschaft über Ägypten anzutreten. Fakhr ed-Din war mit diesem Plan einverstanden, zum einen weil er keinen Verdacht erregen wollte, aber auch, weil mit diesem Vorgehen Aqtay, ein potentieller Rivale, aus dem Feld geräumt werden konnte. Für sich scheint Fakhr ed-Din allerdings gehofft zu haben, dass bei diesen Entfernungen und in dem feindlichen Territorium, das der Bote durchqueren musste, die Botschaft entweder nicht an ihr Ziel kommen oder dass es Turanshah nicht gelingen würde, nach Ägypten zu kommen. Ein muslimischer Chronist schrieb, dass Fakhr ed-Din »nach unumschränkter Alleinherrschaft strebte«.
Trotz dieser komplizierten Intrige sickerte die Nachricht vom Tod des Sultans irgendwann durch und führte in Kairo zu Unruhen. Auch dauerte es nicht lange, bis Ludwig IX. entdeckte, dass, wie er es später formulierte, »das erbärmliche Leben des Sultans von Ägypten gerade zu Ende gegangen war« – eine Neuigkeit, die seine Hoffnungen auf einen Sieg noch beflügelte. 11
Das größte Problem, vor dem die Kreuzfahrer nun standen, war die Überquerung des reißenden Flusses Tanis. Ludwig hatte – offenbar schon in Damiette – beschlossen, über den Fluss einen Damm »aus Holz und Lehm« zu bauen. Der König beauftragte seinen obersten Baumeister, Joscelin von Cornaut, nach einem Plan in zwei Phasen vorzugehen. Zunächst wurden zwei »Katzenhäuser« errichtet, mobile Türme mit davor gespannten »Katzen« oder Schutzschirmen, unter denen die Arbeiter an dem Damm bauen konnten. Gleichzeitig wurden von der Küste 18 Steinwurfmaschinen herbeigeschafft, die für Feuerschutz sorgen sollten. Als all diese Vorrichtungen an Ort und Stelle einsatzbereit standen, begann die zweite, gefährlichere Phase der eigentlichen Arbeiten am Damm.
Fatalerweise verfügte das ägyptische Heer am Südufer des Tanis ebenfalls über einen Bestand an Wurfmaschinen, insgesamt 16 an der Zahl. Sobald die Kreuzfahrer in Reichweite kamen, begann Fakhr ed-Din mit einem pausenlosen Bombardement, »die Männer lösten sich Tag und Nacht in Schichten ab« und sorgten für ständigen Beschuss mit »Steinen, Speeren, Pfeilen und Armbrustbolzen, die herunterprasselten wie dichter Regen«. Wie so viele muslimische Heere vor ihnen verfügten auch die bei Mansourah stationierten Ajjubiden außerdem über einen [637] tödlichen technischen Vorsprung: einen gewaltigen Vorrat an hochentzündlichem griechischen Feuer (oder, wie ein Franke es sehr passend nannte, »Höllenfeuer«). Fakhr ed-Din nahm die hölzernen »Katzenhäuser« der Lateiner
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