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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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sogenannten Seilhänger anschlossen. Als dann irgendwann das Gerücht die Runde machte, dass sogar die Fürsten ihre Flucht vorbereiteten, sahen sich Bohemund und Adhémar von Le Puy gezwungen, die Stadttore zu verriegeln, um einer Massenflucht vorzubeugen.
    Mit dem Mut der Verzweiflung gelang es den Zurückbleibenden, ihre Positionen zu halten. Dann tauchte in der Nacht vom 13. auf den 14. Juni eine Sternschnuppe auf, die aus dem Himmel direkt in das Lager der Muslime zu stürzen schien. Die Kreuzfahrer interpretierten das als ein günstiges Vorzeichen, denn gleich am Tag darauf sahen sie, wie sich Kerbogas Truppen von den Hängen des Silpius zurückzogen. Diese Verlagerung ging jedoch vermutlich auf konkrete strategische Überlegungen zurück. Da Kerboga es nicht geschafft hatte, den Widerstand der Franken durch einen Frontalangriff zu brechen, verlegte er sich auf eine weniger direkte Strategie. Noch immer kam es täglich zu Nahkämpfen, doch vom [91] 14. Juni an setzten die muslimischen Belagerer ihre Energie vor allem dafür ein, Antiochia einzukreisen. Der Großteil des türkischen Heeres blieb im Hauptlager im Norden der Stadt, es wurden jedoch große Truppenabteilungen zur Blockierung des Brückentors und des St.-Georgs-Tores abgestellt. Die Schlinge sollte immer enger gezogen und der Kontakt der Lateiner mit der Außenwelt abgeschnitten werden; so hoffte Kerboga, die Kreuzfahrer durch Entzug von Nahrungsmitteln zum Aufgeben zu zwingen.
    Schon als die Franken in Antiochia eingefallen waren, hatte Nahrungsmittelknappheit geherrscht. Jetzt aber wurde der Mangel noch schlimmer, und die Lateiner hatten bisher nicht gekannte Qualen zu erdulden. Ein christlicher Zeitgenosse beschreibt diese Tage des Schreckens:
    Die Stadt war von allen Seiten eingeschlossen, die Muslime versperrten sämtliche Wege nach draußen, und nun nahm der Hunger unter den Christen solche Formen an, dass sie, da kein Brot mehr da war, sogar Lederstücke kauten, die sie in Häusern gefunden hatten; diese Stücke waren im Lauf von mehreren Jahren hart geworden oder verrottet. Die Leute aus dem Fußvolk waren gezwungen, ihre Lederschuhe zu verzehren, weil sie so schrecklich hungrig waren. Einige füllten ihre armen Mägen auch mit Brennnesselwurzeln und anderen Pflanzen, die sie über dem Feuer weich kochten, aber davon wurden sie krank, und jeden Tag wurden es weniger, weil viele daran starben.
    Furcht und Hunger lähmten die Kreuzfahrer, und ihre Kampfmoral schwand zusehends – offensichtlich gab es keinen Ausweg mehr und kaum noch eine Überlebenschance. In diesen Tagen äußerster Trostlosigkeit waren die meisten überzeugt, dass die Niederlage unmittelbar bevorstand. 7
    Immer wieder wurde von Historikern behauptet, dass zu diesem Zeitpunkt ein einziges dramatisches Ereignis den Verlauf der zweiten Belagerung Antiochias, ja das Schicksal des gesamten Kreuzzugs radikal verändert habe. Am 14. Juni fing eine kleine Gruppe von Franken, angeführt von einem Bauern mit seherischen Gaben namens Peter Bartholomäus, mit Ausgrabungsarbeiten in der Basilika St. Petrus an. Bartholomäus [92] behauptete, eine Erscheinung des Apostels Andreas habe ihm den Ort offenbart, an dem sich eine überaus machtvolle geistliche Waffe befinde: die Lanze, mit der die Seite Christi am Kreuz durchbohrt wurde. Einer der Männer, die an der Suche beteiligt waren, Raimund von Aguilers, beschrieb, wie
    wir bis zum Abend gruben; da gaben einige von uns die Hoffnung auf, die Lanze noch zu finden [. . .]. Der jugendliche Petrus Bartholomäus jedoch, als er die Erschöpfung unserer Arbeiter sah, legte seine Oberbekleidung ab und sprang, nur mit einem Hemd bekleidet und ohne Schuhe, in das Loch. Dann bat er uns, zu Gott zu beten, dass er Seine Lanze [den Kreuzfahrern] geben möge, um Seinem Volk Stärke und Sieg zu verleihen. Endlich zeigte uns der Herr in Seiner Güte Seine Lanze, und ich, Raimund, der Verfasser dieses Buches, küsste die Spitze der Lanze, als sie gerade nur aus der Erde herausragte. Übergroße Freude und Jubel erfüllten daraufhin die Stadt.
    Lange Zeit wurde angenommen, die Entdeckung dieses kleinen Metallstücks, offenbar einer Reliquie der Passion Christi, habe eine elektrisierende Wirkung auf die Kreuzfahrer ausgeübt. Ihr Auftauchen wurde als unumstößliches Anzeichen dafür gedeutet, dass Gott wieder bereit war, den Kreuzzug zu unterstützen, dass er den Sieg gewährleisten werde, und angeblich habe der Fund die Lateiner angestachelt, zu den Waffen

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