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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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bedeutsam; besondere Verehrung wurde einem Bereich entgegengebracht, der entweder als Tempelberg oder aber als Haram as-Sharif bezeichnet wird, einem abgegrenzten, hochgelegenen Plateau im Osten der Stadt, das den Felsendom und die al-Aqsa-Moschee umfasst und im Westen von der Klagemauer, einem Rest des einstigen jüdischen Tempels, begrenzt wird. Für die Muslime ist dies der Ort, von dem aus Mohammed seine Reise in den Himmel antrat, die drittheiligste Stätte der islamischen Welt. Doch auch für die Juden spielt der Ort eine große Rolle: Es soll der Berg sein, auf dem Abraham seinen Sohn Isaak als Opfer darbringen sollte und auf dem die beiden Tempel erbaut wurden.
    Es verhielt sich im Mittelalter nicht anders als heute: Eben wegen seiner unübertroffenen Heiligkeit wurde Jerusalem zum Brennpunkt der Konflikte. Die Tatsache, dass die Stadt entscheidende Bedeutung für die Glaubensinhalte dreier unterschiedlicher Religionen hat, von denen jede überzeugt ist, unverhandelbare, historische Rechte auf die Stadt zu haben, macht sie geradezu zwangsläufig zum Kriegsschauplatz.
    Die Aufgabe
    Die ersten Kreuzfahrer sahen sich nun vor einer anscheinend unmöglichen Aufgabe: Sie hatten die Absicht, eine der am besten befestigten Städte der damals bekannten Welt zu erobern. Auch heute noch, nachdem sich das moderne Jerusalem nach allen Seiten ausgebreitet hat, vermag die Stadt einen Eindruck von der Größe ihrer Vergangenheit zu vermitteln, befindet sich doch in ihrem Zentrum – umringt von Mauern aus der Zeit der Osmanen, die ungefähr den Mauern ähneln, die sich dort im 11. Jahrhundert erhoben – die »Alte Stadt«. Schaut man vom Ölberg in Richtung Osten und denkt sich das chaotische Durcheinander des 21. Jahrhunderts weg, dann kann man sich vorstellen, welch grandioser Anblick der Metropole sich den Franken im Jahr 1099 bot.

    [108] Die Stadt erhob sich isoliert mitten in den judäischen Bergen auf einem Plateau, von dem aus sich in Richtung Osten, Südosten und Westen tiefe Täler auftaten, und sie war umgeben von einer ehrfurchtgebietenden, 4 Kilometer langen Runde von 20 Meter hohen und 3 Meter dicken Festungsmauern. Die Stadt konnte eigentlich nur von den ebenen Flächen im Norden und Südwesten aus angegriffen werden, dort aber waren die Festungswälle durch einen zweiten Kurtinen-Wall und mehrere Festungsgräben verstärkt. Fünf große, jeweils von zwei Türmen flankierte Tore unterbrachen dieses ungefähr rechtwinklige Verteidigungssystem. Jerusalem verfügte außerdem über zwei große Festungen. In der nordwestlichen Ecke der Stadtmauer befand sich der imposante »Viereckige Turm«, und in der Mitte der westlichen Mauer erhob sich der Davidsturm. Ein lateinischer Chronist berichtet, dass diese furchteinflößende Zitadelle »aus riesigen Steinquadern zusammengesetzt war, die durch geschmolzenes Blei versiegelt waren«, und er fügte hinzu, dass von hier aus, »wenn die Soldaten ausreichend versorgt waren, 15 oder 20 Männer jeden Angriff abwehren konnten«. 2
    Kaum waren die Kreuzfahrer vor Jerusalem angelangt, machte sich in ihren Reihen ein besorgniserregender Bruch bemerkbar, als sie das Heer in zwei Gruppen aufteilten. Seit der Belagerung von Arqa war Raimunds Ansehen erkennbar geschwunden, und nun, da auch Robert von der Normandie sich von ihm distanziert hatte, gelang es dem Grafen sogar kaum mehr, sich die Loyalität seiner eigenen Landsleute, der Provençalen, zu erhalten. Er stellte die ihm verbliebenen Truppen auf dem Zionsberg im Südwesten der Stadt auf und bedrohte so das Zionstor im Süden der Stadt. Gottfried von Bouillon, der sich zunehmend als Befehlshaber des Feldzugs profilierte, zog dagegen in den Norden der Stadt, um sie von dort aus zu belagern, zwischen dem Viereckigen Turm und dem St.-Stephans-Tor. Gottfried wurde von Arnulf von Chocques unterstützt, dem Priester, der entscheidend dazu beigetragen hatte, die Heilige Lanze in Misskredit zu bringen, und mit ihm zogen außerdem die beiden Robert sowie Tankred. Strategisch gesehen hatte die Teilung der Truppen ihre Vorteile, weil Jerusalem nun von zwei Seiten aus angegriffen werden konnte, doch war sie eben auch das Resultat einer tiefsitzenden Zwietracht.
    Das war umso beunruhigender, als die Franken vor Jerusalem keine langwierige Belagerung wie vor Antiochia einplanen konnten. Der immense [109] Umfang der äußeren Stadtmauer machte bei der begrenzten Zahl an Kämpfern eine wirkungsvolle Blockade unmöglich. Noch akuter war das

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