Die Kreuzzüge
14. Juli verlagerte der Herzog im Schutz der Dunkelheit sein Bauwerk um mehr als einen halben Kilometer ostwärts, jenseits des Damaskus-Tors, womit er einen ganz anderen Abschnitt der Mauer bedrohte. Nach dem Bericht eines Kreuzfahrers
waren die Sarazenen am darauffolgenden Morgen wie vom Donner gerührt, als sie sahen, dass der Standort unserer Maschinen und Zelte sich verändert hatte [. . .]. Zwei Gründe hatten zu der Verlagerung der Position geführt. Die Ebene ermöglichte für unsere Kriegsmaschinen einen leichteren Zugang zu den Mauern, und [113] die Abgelegenheit und Schwäche dieses nördlichen Winkels hatte die Sarazenen veranlasst, ihn ungesichert zu lassen.
Es war Gottfried also gelungen, seine Feinde zu täuschen, und sein erstes Ziel war es nun, den niedrigeren äußeren Wall zu durchbrechen, der die wichtigsten nördlichen Festungsbauten schützte; erst durch eine solche Bresche würde er den großen Belagerungsturm in die Nähe der Stadt selbst transportieren können. Die Franken hatten einen riesigen, eisengepanzerten Sturmbock gebaut, um sich einen Weg durch die äußeren Verteidigungsanlagen zu bahnen, und nun mühten sich etliche Kreuzfahrer, diese Waffe vorwärts zu bewegen, gedeckt von Mangonelfeuer, während die muslimische Garnison ihrerseits die Angreifer unter Beschuss nahm. Der Sturmbock war auf eine mit Rädern versehene Plattform montiert, trotzdem war er entsetzlich sperrig. Doch nach stundenlanger Anstrengung hatten die Franken ihn endlich in die richtige Position gebracht und rammten ihn mit einer gewaltigen Kraftanstrengung in die äußere Mauer. Es entstand ein beträchtlicher Riss; der Schwung trieb den Rammbock so weit vorwärts, dass die fatimidischen Truppen auf dem Festungswall befürchteten, er würde bis zur Hauptmauer vordringen. Deshalb überschütteten sie die bedrohliche Waffe mit »Feuer aus Schwefel, Pech und Wachs« und setzten sie in Brand. Zunächst taten die Kreuzfahrer alles, um die Flammen zu löschen, doch Gottfried erkannte schnell, dass die angekohlten Reste des Rammbocks das Vorrücken seines großen Belagerungsturms behindern würden. In einer grotesken Vertauschung der Taktiken machten sich also nun die Christen daran, ihre eigene Waffe zu verbrennen, während die Muslime vergeblich versuchten, dieses massive Hindernis auf dem Weg zu den Mauern zu retten, indem sie es von oben mit Wasser begossen. Schließlich gewannen die Christen die Oberhand, und am Ende dieses Tages war es den Franken im Norden gelungen, die erste Verteidigungslinie zu durchbrechen: Der Weg für einen Frontalangriff auf die Mauern war frei.
Im Südwesten der Stadt, am Berg Zion, waren die Provençalen weniger erfolgreich. Dieser Abschnitt der Befestigungsmauern war nicht mit Kurtinen, sondern durch einen trockenen Festungsgraben verstärkt. In den Wochen zuvor hatte Raimund von Toulouse daher eine Bezahlung festgesetzt: Einen Pfennig erhielt jeder, der drei Steine in den Graben warf, wodurch dieses Hindernis rasch beseitigt war. Außerdem beaufsichtigte [114] Raimund den Bau eines eigenen Belagerungsturms, und am 14. Juli wurde, abgestimmt auf Gottfrieds Offensive, auch diese gewaltige Kriegsmaschine eingesetzt. Zentimeterweise bewegten die südfranzösischen Truppen das riesige Gerät in Richtung der Festungsmauern; als sie in die Reichweite der feindlichen Waffen kamen, hagelten zahllose Wurfgeschosse auf sie herab. Iftikhar ad-Daulah hatte angenommen, der Hauptangriff des fränkischen Heeres werde vom Zionsberg ausgehen, daher hatte er seine Streitkräfte in diesem Teil der Stadt konzentriert, und seine Männer begannen jetzt mit einem nicht nachlassenden Beschuss. Ein lateinischer Augenzeuge beschrieb, wie »[von Katapulten] geschleuderte Steine durch die Luft flogen, und Pfeile prasselten wie Hagel herunter«; der langsam vorrückende Belagerungsturm war das Ziel von heimtückischen Feuergeschossen, »sie waren in brennendes Pech, Wachs und Schwefel getaucht, mit Werg und Lumpen umhüllt und mit Nägeln gespickt, so dass sie dort, wo sie aufkamen, haften blieben«. Raimund schaffte es nicht, bis zum Einbruch der Dunkelheit die Mauern zu erreichen, und sah sich zu einem demütigenden Rückzug gezwungen. 5
Nach einer bangen, ruhelosen Nacht für Verteidiger wie Angreifer wurde die Schlacht am Morgen fortgesetzt. Die Provençalen mühten sich wieder, ihren Turm vorwärtszubewegen, die Muslime feuerten erneut unermüdlich Wurfgeschosse und erreichten nach einigen Stunden ihr Ziel:
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