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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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als wichtiger Handels- und Verkehrsweg zwischen Syrien und den Städten Ägyptens und Arabiens. Balduin hatte schon 1107 und dann wieder 1113 Erkundungszüge in diese Region unternommen. Gegen Ende des Jahres 1115 nun machte er den kühnen Versuch, dort – als einen ersten Schritt zur Kontrolle des Verkehrs durch die gesamte Levante – Besiedlungen durch Franken anzustoßen. Er marschierte mit nur 200 Rittern und 400 Fußsoldaten zu einem bewaldeten Hügelzug namens Schobak und errichtete dort eine Burg, die er Montreal – königlicher Berg – nannte. Im Jahr darauf kam er wieder in die Region und befestigte am Roten Meer bei Akaba einen Außenposten. Mit diesen Vorstößen setzte er einen Prozess territorialer Expansion in Gang, der sich für das Königreich in den folgenden Jahren in vielerlei Hinsicht als nützlich erweisen sollte.
    Im Winter 1116/1117 wurde Balduin ernsthaft krank, und es dauerte einige Monate, bis er sich wieder erholt hatte. Anfang 1118 war er bereit zu neuen militärischen Unternehmungen. Im März fiel er in Ägypten ein und gelangte bis zu den östlichen Mündungsarmen des Nils. Doch wieder warf ihn Krankheit nieder; die alte Wunde, die er im Jahr 1103 empfangen und von der er sich nie ganz erholt hatte, brach wieder auf. Mitten im Feindesland wurde der große König von so furchtbaren Schmerzen geplagt, dass er nicht mehr in der Lage war, ein Pferd zu besteigen; auf einer behelfsmäßigen Sänfte musste er die qualvolle Reise zurück nach Palästina antreten. Wenige Tage später, am 2. April 1118, erreichte er die kleine Grenzsiedlung al-Arish; eine Weiterreise von dort war nicht mehr möglich; er bekannte seine Sünden und starb.

    [180] Der König hatte bestimmt, dass sein Leichnam nicht in Ägypten zurückgelassen werden sollte. Nach seinem Tod befolgte man also seine sorgfältig-unheimlichen Anweisungen an seinen Koch Addo genau, um zu verhindern, dass sein Leichnam in der Hitze verweste.
    So wie er es ausdrücklich gefordert hatte, wurde sein Bauch [auf-]geschnitten, seine inneren Organe wurden herausgenommen und begraben, sein Körper wurde innen und außen mit Salz eingerieben, in Augen, Mund, Nasenlöchern und Ohren, [außerdem] mit Gewürzen und Balsam gesalbt, dann wurde er in ein Fell eingenäht und in Teppiche eingewickelt, auf den Rücken eines Pferdes gelegt und festgebunden.
    Der Leichenzug erreichte Jerusalem am Palmsonntag jenes Jahres, und entsprechend seinen letzten Verfügungen wurde König Balduin I. in der Kirche vom Heiligen Grab neben seinem Bruder Gottfried von Bouillon beigesetzt. 26
    Die erste Invasion der Levante war zwar die Leistung der ersten Kreuzfahrer, doch die eigentliche Aufgabe, den Vorderen Orient zu erobern und die Kreuzfahrerstaaten zu gründen, hatte die erste Generation der Siedler in Outremer vollbracht. Die größten individuellen Beiträge hierzu leisteten ohne Zweifel König Balduin I. und sein Rivale Tankred von Antiochia. Diese beiden Herrscher steuerten den lateinischen Orient durch eine sehr labile Phase, in der der Mythos von der fränkischen Unbesiegbarkeit zerbrach und sich erste vereinzelte Anzeichen für eine muslimische Gegenoffensive ankündigten. Zwischen 1100 und 1118 enthüllte sich vielleicht mehr noch als während des ersten Kreuzzugs, wie zerrissen und gespalten der Islam wirklich war, denn in diesen Jahren hätte die Ansiedlung der Westeuropäer in Syrien und Palästina mit einer gemeinsamen muslimischen Gegenwehr wohl verhindert werden können.
    Balduins und Tankreds Erfolge waren einem flexiblen Vorgehen zu verdanken, in dem sich Rücksichtslosigkeit mit Pragmatismus paarte. Das Werk der Konsolidierung und Unterwerfung geschah nicht nur mit Hilfe direkter militärischer Eroberung, sondern auch durch Diplomatie, finanzielle Ausbeutung und durch die Eingliederung der ortsansässigen, nichtlateinischen Bevölkerung in das Gefüge der fränkischen Staatsgebilde. [181] Außerdem hing das Überleben der Lateiner im gleichen Maß von der Bereitschaft Balduins, Tankreds und ihrer Zeitgenossen ab, selbstzerstörerische interne Kämpfe und Zwistigkeiten zurückzustellen und gegen Bedrohungen von außen gemeinsam vorzugehen. Anklänge an die »Kreuzzugs«ideologie fanden sich im Kampf um die Verteidigung des Heiligen Landes allenthalben, nicht zuletzt in den Reinigungsriten vor dem Beginn von Kampfhandlungen oder in der Verehrung der Reliquie vom Wahren Kreuz. Gleichzeitig aber ließen die frühen lateinischen Siedler deutlich die

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