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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Belus-Berge zu flüchten, doch die meisten wurden erschlagen. Ein in Damaskus lebender Muslim sprach von »einem der schönsten Siege [des Islams]« und bemerkte, die getöteten Pferde des Feindes hätten wie Igel ausgesehen »wegen der Menge an Pfeilen, die in ihnen steckten«. Die Niederlage war so furchtbar, die Zahl der getöteten Christen so gewaltig, dass die Antiochener den Ort später ager sanguinis , Blutfeld, zu nennen pflegten.
    Das lateinische Fürstentum, das nun keinen Herrscher und kein Heer mehr hatte, schien also weiteren Übergriffen schutzlos ausgeliefert zu sein. Doch Il-ghazi versuchte nicht, die Stadt Antiochia zu erobern. Dafür, [184] dass er sich diese günstige Gelegenheit entgehen ließ, die fränkische Hauptstadt einzunehmen, wurde er von vielen kritisiert. Tatsächlich jedoch war Antiochia zwar geschwächt, aber alles andere als hilflos. Dank den hervorragenden Befestigungsanlagen konnte die Stadt selbst bei nur geringer Besatzung einer feindlichen Belagerung standhalten. Il-ghazi hatte weder die Zeit, sich auf eine zermürbende Belagerung einzulassen, noch ausreichend Truppen zur Verfügung, die er gebraucht hätte, um die Stadt zu besetzen, wenn sie erst eingenommen war. Ihm war klar, dass die fränkische Verstärkung aus dem Süden innerhalb weniger Wochen eintreffen musste, und da für ihn vor allem die strategischen Interessen Aleppos eine Rolle spielten, beschloss er, sich auf den Jazr-Grenzstreifen östlich der Belus-Berge zu konzentrieren, wo er al-Atharib und Zardana zurückeroberte. Anfang August hatte er diese Pufferzone wieder in seiner Gewalt, und Aleppos Überleben als muslimische Macht war gesichert.
    Inzwischen waren lateinische Truppen aus Jerusalem und Tripolis in Antiochia eingetroffen, und König Balduin II. bereitete einen Gegenschlag vor. Er versammelte die überlebenden Kämpfer des Fürstentums und trat am 14. August in der Nähe von Zerdana gegen Il-ghazi an, in einer Schlacht, die allerdings unentschieden blieb. Das Heer der Muslime, verstärkt durch Truppen aus Damaskus, wurde vom Schlachtfeld vertrieben, und da das Kriegsglück sich nun gewendet hatte, beendete Il-ghazi seinen Feldzug. Die Christen hatten herbe Verluste hinnehmen müssen; unter den Gefangenen befand sich auch Robert fitz-Fulk der Aussätzige, der Herr von Zardana. Er wurde nach Damaskus gebracht und hoffte wohl, bei seinem Freund und früheren Verbündeten Tughtegin Gnade zu finden. Als Robert sich jedoch weigerte, seiner Religion abzuschwören, wurde der Atabeg wütend und köpfte ihn »mit einem Schwertstreich«. Es wurde gemunkelt, dass Tughtegin Roberts Schädel in einen goldbeschlagenen, mit Juwelen verzierten Kelch fassen ließ. 2
    Mit der Ankunft von König Balduin II. in Nordsyrien war das unmittelbare Überleben des fränkischen Fürstentums gesichert, doch musste Outremer insgesamt nun mit den schrecklichen Nachwirkungen der Schlacht auf dem Blutfeld fertigwerden. Die Gebietsverluste waren beträchtlich – abgesehen von den Eroberungen von Il-ghazi hatte das muslimische Schaizar den geschwächten Zustand der Christen ausgenutzt [185] und das gesamte Summaq-Plateau überrannt, ausgenommen lediglich den Vorposten bei Apamea –, doch damals nach der Niederlage bei Harran 1104 war die Situation für Antiochia noch trostloser gewesen; auch davon hatte sich das Fürstentum erholt. Das eigentlich Schlimme an den Ereignissen des Jahres 1119 war der Tod des Fürsten. Noch nie zuvor war ein regierender lateinischer Fürst in der Schlacht gefallen; erschwerend kam noch hinzu, dass Roger ohne Nachkommen gestorben war, womit sich für Antiochia die Gefahr einer lähmenden Nachfolgekrise abzeichnete. Da es kaum Alternativen gab, füllte Balduin die Lücke aus. Der Anspruch des neunjährigen Sohnes und Namensvetters von Bohemund von Tarent, Bohemunds II., der damals noch in Italien lebte, wurde wieder geltend gemacht, und der König erklärte sich bereit, die Herrschaft so lange zu übernehmen, bis der junge designierte Fürst mit seinem 15. Lebensjahr die Thronfolge antreten konnte.
    Auch in einem größeren Zusammenhang war das Blutfeld ein höchst unliebsamer Schock für die lateinische Christenheit. Es war nicht die erste fränkische Niederlage. Auf die leuchtenden Erinnerungen an den »wundersamen« ersten Kreuzzug hatten auch frühere Rückschläge schon ihre Schatten geworfen: so der Zusammenbruch des Kreuzzugs von 1101; die Niederlage Balduins I. in der zweiten Schlacht von Ramla; die

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