Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
Vom Netzwerk:
zu Morgenländern geworden. Wer einst ein Römer oder Franke war, ist in diesem Land zu einem Galiläer oder einem Palästinenser geworden. Wer aus Reims oder Chartres stammte, wurde jetzt ein Bürger von Tyros oder Antiochia. Wir haben unsere Geburtsorte schon vergessen.
    Was Fulcher hier schildert, war zwar eine Art Anwerbungsmanifest, mit dem neue lateinische Siedler in den Osten gelockt werden sollten, aber auch mit diesem Vorbehalt scheint sein Zeugnis doch darauf hinzuweisen, dass es so etwas wie Offenheit gegenüber Assimilationsprozessen gab. Fulcher beschreibt noch eine weitere Variante interkulturellen Kontakts: die sogenannte Mischehe. Eheliche Verbindungen zwischen Franken und ostchristlichen Griechen und Armeniern waren relativ üblich, manchmal dienten sie der Festigung politischer Bündnisse. Königin Melisende von Jerusalem war ja selbst das Kind einer solchen Ehe. Fränkische Männer konnten auch muslimische Frauen heiraten, die zum Christentum übergetreten waren. Heiraten zwischen Lateinern und Muslimen scheinen jedoch extrem selten gewesen zu sein. Bei einem Konzil im Jahr 1120 in Nablus, das nicht lang nach der Blutfeld-Krise stattfand, erließ die fränkische Obrigkeit mehrere Gesetze, die solche Verbindungen ausdrücklich untersagten. Geschlechtlicher Umgang zwischen Christen und Muslimen wurde unter schwere Strafen gestellt: Männer sollten kastriert, und den Frauen, die sich darauf einließen, sollte die Nase abgeschnitten werden. Diese Vorschriften waren die ersten festgeschriebenen Verbote für diesen Bereich in der lateinischen Welt. Dasselbe Gesetzeskorpus verbot Muslimen auch, Kleidung »nach Art der Franken« zu tragen. Ob diese Regelungen diskriminierend wirkten oder nicht, kann nicht eindeutig festgestellt werden, allein schon weil jedes Gesetz positiv oder negativ interpretiert werden kann. Verweisen die Erlasse von Nablus auf eine Welt schärfster Ausgrenzung, in der ein [198] war; oder hat man diese Gesetze erlassen, um ein inzwischen allgemein üblich gewordenes Verhalten wieder zurückzuändern? Jedenfalls gibt es keinen Hinweis darauf, dass sie umgesetzt wurden, auch wurden sie im 13. Jahrhundert nicht in die Gesetzessammlungen Outremers übernommen.
    Als die Lateiner antike Städte wie Antiochia und Jerusalem eroberten und die Entscheidung trafen, sich im Vorderen Orient niederzulassen, mussten sie Strukturen entwickeln, mit denen sie ihre neuen Herrschaftsgebiete regieren konnten, also administrative Rahmenbedingungen schaffen. Viele Verfahren brachten sie aus dem Abendland mit, daneben übernahmen sie die eine oder andere levantinische Variante. Dieses Vorgehen war wohl überwiegend von der pragmatischen Notwendigkeit bestimmt, in kurzer Zeit ein funktionierendes System zu begründen, weniger von dem Wunsch, sich auf irgendwelche neuen Formen von Regierung einzulassen. Darüber hinaus wurden die Entscheidungen von regionalen Gegebenheiten beeinflusst. Im Fürstentum Antiochia, wo eine griechische Herrschaft abgelöst wurde, war der wichtigste Beamte der Stadt der dux (Herzog), eine Institution, die sich von einem byzantinischen Vorbild ableitete; im Königreich Jerusalem übernahm ein Vicomte eine ähnliches Amt nach fränkischem Vorbild.
    Angehörige der Ostkirchen spielten mit Sicherheit eine gewisse Rolle in lokalen und auch regionalen Regierungen; und von Fall zu Fall waren auch Muslime beteiligt. Die meisten muslimischen Dörfer scheinen von einem »Reis« – der Entsprechung eines Dorfoberhaupts – vertreten worden zu sein, genauso wie es auch schon unter türkischer oder fatimidischer Herrschaft üblich gewesen war. Durch einen einzigen Beleg wissen wir, dass die muslimischen Bürger von Tyros im Jahr 1181 ebenfalls ihren eigenen »Reis«, einen gewissen Sadi, hatten. Ein ähnlich isolierter Beleg weist darauf hin, dass die von den Lateinern besetzte syrische Hafenstadt Jabala einen muslimischen Kadi (Richter) hatte. Welche Kompetenzen mit solchen Ämtern verbunden waren, können wir heute nicht mehr feststellen. 10
    Die wohl faszinierendste Materialsammlung zum Leben in Outremer ist Usama ibn Munqidhs Buch der Betrachtung * , eine Sammlung von Geschichten [199] und Anekdoten aus der Feder eines nordsyrischen arabischen Adligen, der Zeitzeuge der Entwicklung des Krieges im Heiligen Land im 12. Jahrhundert war. Sein Text enthält viele direkte Kommentare und beiläufige Details zum Kontakt mit den Franken und zum Leben in den Kreuzfahrerstaaten. Er interessierte sich

Weitere Kostenlose Bücher