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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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Jerusalem [201] und besuchte Akkon und Tyros, bevor er ein Schiff nach Sizilien bestieg. Von seiner Reise durch Westgaliläa berichtet er:
    Unser Weg führte vorbei an zahlreichen Bauernhöfen und wohlgeordneten Siedlungen, deren Einwohner alles Muslime waren, die friedlich mit den Franken zusammenlebten. Gott beschütze uns vor einer solchen Versuchung. Sie geben die Hälfte ihrer Erträge in der Erntezeit an die Franken ab und zahlen außerdem eine Kopfsteuer von einem Dinar und fünf Qirat pro Person. Ansonsten werden sie nicht beeinträchtigt, außer einer geringen Steuer auf die Früchte der Bäume. Ihre Häuser und ihr gesamtes Vermögen bleiben ganz in ihrem Besitz.
    Dieser Bericht scheint darauf hinzudeuten, dass im lateinischen Palästina ein Gutteil der sesshaften muslimischen Bevölkerung in relativem Frieden lebte: Sie zahlten eine Kopfsteuer (ähnlich der Steuer, die von islamischen Herrschern von ihren nicht-muslimischen Untertanen eingezogen wurde) und eine Steuer auf ihre Erzeugnisse. Es gibt Hinweise auf die Höhe der Steuern, die ungefähr zur selben Zeit von islamischen Gemeinwesen erhoben wurden, und sie lassen den Schluss zu, dass die muslimischen Bauern unter fränkisch-christlicher Herrschaft nicht schlechter gestellt waren. Tatsächlich deutet Ibn Dschubair sogar an, dass die Muslime von einem »fränkischen Herrn« mit »Gerechtigkeit« behandelt wurden, unter »einem Herrn [ihres] eigenen Glaubens« dagegen eher »Unrecht« zu erdulden hatten. Das heißt nicht, dass er die friedliche Koexistenz oder die Unterwerfung unter lateinische Herrschaft gutgeheißen hätte. An einer Stelle bemerkt er, dass »es in den Augen Gottes für einen Muslim, der sich in einem Land der Ungläubigen aufhält, keine Entschuldigung geben kann, außer wenn er sich auf der Durchreise befindet«. Allerdings können derartige grundsätzliche Vorbehalte seinen positiven Beobachtungen nur umso mehr Glaubwürdigkeit verleihen. 12
    Ibn Dschubair berichtet auch, dass die muslimischen Untertanen in Akkon und Tyros Zugang zu den Moscheen hatten und dass sie ihre Gebete verrichten durften. Da uns nur wenige Zeugnisse vorliegen, können wir also unmöglich behaupten, sämtliche Muslime in Outremer hätten solche Freiheiten in Glaubensfragen genossen. Mit Sicherheit darf man wohl nur annehmen, dass die fränkischen Siedler, da sie eine Minderheit [202] waren, ein vitales Interesse daran hatten, dass ihre Untertanen zufrieden blieben und nicht emigrierten, und die Lebensbedingungen für die einheimischen Ostchristen, aber auch für Muslime gaben keinen Anlass zu Unruhen oder Auswanderung. Im zeitgenössischen Vergleich mit Westeuropa oder dem muslimischen Orient wurden die in den Kreuzfahrerstaaten lebenden Nicht-Franken wahrscheinlich nicht in außergewöhnlichem Maß unterdrückt, ausgebeutet oder misshandelt. 13
    Ein Bereich, in dem die levantinischen Franken und die Muslime ganz sicher in Kontakt kamen, war der Handel. Während der ersten 100 Jahre lateinischer Ansiedlung gab es unverkennbar lebhafte Handelsaktivitäten. Italienische Kaufleute aus Venedig, Pisa und Genua waren führend; sie gründeten Enklaven in den großen Hafen- und Küstenstädten von Outremer und schufen ein komplexes Netzwerk von Handelsrouten über das Mittelmeer. Diese pulsierenden Adern des Handels verbanden den Vorderen Orient mit dem Westen und ließen levantinische Erzeugnisse (wie Zuckerrohr und Olivenöl) und kostbare Güter aus dem Orient und aus Zentralasien auf die europäischen Märkte gelangen. Bislang wurde der größte Anteil der Waren aus dem Orient noch über Ägypten transportiert, trotzdem entwickelte sich die wirtschaftliche Situation in Outremer außerordentlich günstig: Sie bahnte Städten wie Venedig den Weg zu ihrer Stellung als führende Handelsmächte im Mittelalter; und über Zölle und Steuern floss auch viel Geld in die Kassen von Antiochia, Tripolis und Jerusalem. Das heißt nicht, dass es sich bei den lateinischen Niederlassungen im Osten um ausbeuterische europäische Kolonien handelte. Ihre Gründung und ihr Überleben mag teilweise von Handelsmächten wie Genua abhängig gewesen sein, doch wurden sie nicht in erster Linie als Wirtschaftsunternehmen gegründet. Und sie dienten auch nicht in erster Linie den Interessen ihrer Heimatländer im Westen, weil die finanziellen Erträge, die dem »Staat« zuflossen, im Osten verblieben.
    Der Transport von Waren aus der muslimischen Welt in die Mittelmeerhäfen der

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