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Die Kreuzzüge

Die Kreuzzüge

Titel: Die Kreuzzüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Asbridge , Susanne Held
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fränkischen Levante war nicht nur für die Lateiner von größter Bedeutung. Er wurde auch zu einem entscheidenden Element für den größeren Zusammenhang der Wirtschaft im Vorderen Orient: überlebensnotwendig für muslimische Händler, die auf den Karawanenrouten Richtung Osten unterwegs waren; entscheidend für die Einkünfte muslimisch beherrschter Großstädte wie Aleppo und Damaskus. [203] Diese gemeinsamen Interessen führten zu Abhängigkeiten und förderten den rücksichtsvollen (und damit wesentlich »friedlichen«) Kontakt miteinander, selbst in Zeiten erhöhter politischer und militärischer Spannungen. Sogar mitten im heiligen Krieg war der Handel zu wichtig, als dass er hätte unterbrochen werden können.
    Historiker erklären häufig das Jahr 1120 zu einem Jahr der Krise und der Spannungen in der Levante. Schließlich war das Blutfeld in der Erinnerung noch sehr lebendig; außerdem wurden beim Konzil von Nablus die strengen Strafen für Kontakte zwischen Christen und Muslimen festgeschrieben. Doch im selben Jahr ordnete Balduin II. erhebliche Steuersenkungen in Jerusalem an. Fulcher von Chartres (der damals dort lebte) berichtet, der König habe erklärt, dass »Christen ebenso wie Sarazenen die Freiheit haben sollten, zu Handelszwecken – mit wem es ihnen beliebte – in die Stadt hineinzukommen oder sie zu verlassen, wann immer sie es wünschten«. Muslimische Quellen weisen darauf hin, dass etwa zur selben Zeit Il-ghazi – der Sieger auf dem Blutfeld – in Aleppo Zölle abschaffte und sich mit den Waffenstillstandsbedingungen der Franken einverstanden erklärte. Wie viel Einvernehmen zwischen diesen beiden Männern herrschte, die als Feinde galten, ist natürlich nicht zu ermitteln, doch war offensichtlich beiden sehr daran gelegen, den Handel anzukurbeln. Tatsächlich scheint die ansteigende Begeisterung für den Dschihad innerhalb des Islams die lateinisch-muslimischen Handelsbeziehungen in ihrem Charakter und ihrer Ausrichtung weitgehend unbeeinflusst gelassen zu haben. Selbst Saladin, die Symbolfigur des heiligen Krieges, knüpfte enge Verbindungen zu den Kauffahrern aus Italien, als er im muslimischen Ägypten an die Macht kam. Er war äußerst interessiert daran, den gewinnträchtigen Handel zu fördern und vor allem den problemlosen Nachschub an Bauholz zu sichern, das in Nordafrika nur schwer zu beschaffen war, weswegen er im Jahr 1173 den Pisanern in Alexandria eine geschützte Handelsenklave einräumte. 14
    Wissen und Kultur
    Es gab während des 12. Jahrhunderts noch eine weitere Form des Austauschs in Outremer: Wissen und Kultur aus muslimischen und ostkirchlichen Quellen verbreiteten sich unter den Mitgliedern der lateinischen intellektuellen Elite. Aus Jerusalem gibt es nur wenige Belege für [204] diese Form des »Dialogs«, doch in Antiochia mit seiner langen Tradition an Gelehrsamkeit stellt sich die Situation ganz anders dar. 15 In der Stadt selbst und in der Umgebung befanden sich schon vor den Kreuzzügen zahlreiche ostkirchliche Klöster, die einen bedeutenden Ruf als Zentren geistigen Lebens hatten. Hier hatten sich schon zuvor mehrere Gelehrte aus der christlichen Welt aufgehalten, um ihren Studien nachzugehen und Texte zur Theologie, Philosophie, Medizin und Naturwissenschaft aus dem Griechischen, Arabischen, Syrischen und Armenischen ins Lateinische zu übersetzen. Als dann die Kreuzfahrerstaaten entstanden, kamen natürlich sehr bald lateinische Gelehrte in der Stadt zusammen. Um das Jahr 1114 besuchte der Philosoph und Übersetzer Adelard von Bath die Stadt, und möglicherweise blieb er zwei Jahre lang. Ein Jahrzehnt später ging Stephan von Pisa – der lateinische Schatzmeister der Kirche St. Paul in Antiochia – seinen bahnbrechenden Studien nach. Im Lauf der 1120er-Jahre fertigte er einige der wichtigsten lateinischen Übersetzungen an, die je in der Levante entstanden. Stephan erlangte den größten Ruhm für seine Übersetzung von al-Majusis Königlichem Buch , einem außerordentlichen Werk zur Heilkunde, das später viel zur Erweiterung des Wissens in Westeuropa beitrug. 16
    Im Nachhinein ist schwer festzustellen, in welchem Ausmaß dieses medizinische Wissen die Heilkunde in der lateinischen Levante beeinflusste. Usama ibn Munqidh berichtet mit einer gewissen Schadenfreude über die eigentümlichen Techniken, die von fränkischen Ärzten angewandt wurden. In einem Fall wurde bei einer Patientin »ein Dämon in ihrem Kopf« diagnostiziert. Usama war offenbar

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