Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
stehen, die unverschlossen war. Tagsüber wurde sie von einer der Bibliothekarinnen überwacht, die in der Nähe an ihren Pulten arbeiteten. Doch nun hielt nichts und niemand die beiden Jungen auf. Endlich würden sie das Geheimnis der Bibliothek ergründen.
Im ersten Moment war Cael ziemlich enttäuscht. Anders, als er erwartet hatte, war der Saal eher klein. Doch als er die Titel der Bücher las, die vor seiner Nase standen, schlug sein Herz höher. Da ging es um Drachen, Gorgonen und andere Ungeheuer, um Hexerei, Heldentaten und böse Flüche.
Schon jetzt sah er mindestens zehn Bücher, die seine Fantasie beflügelten. Und auf den Regalen links und rechts gab es noch unzählige andere. Leider mussten sie sich mit einer Handvoll »Ausleihen« begnügen, um zu verhindern, dass eine der Bibliothekarinnen misstrauisch wurde und die Schlafsäle durchsuchen ließ.
Empörung stieg in ihm auf. Es war eine Schande, dass so viele interessante Schriften unter Verschluss gehalten wurden. Er war ja wohl alt genug, um zu entscheiden, welche Bücher er lesen wollte, und um zu wissen, was er glauben konnte und was nicht!
Er wollte Janlin gerade seine Gedanken mitteilen, als er merkte, dass sich sein Freund überhaupt nicht für die Regale zu interessieren schien. Er stand an der Stirnseite des Saals und presste ein Ohr gegen die Wand.
»Was ist?«, wisperte Cael.
Janlin legte nur den Finger an die Lippen. Cael hätte am liebsten selbst gelauscht, aber er wagte sich nicht mehr zu rühren. In der Stille hörte er das gedämpfte Raunen menschlicher Stimmen. Das Geräusch trieb ihm kalten Schweiß auf die Stirn.
Ohne es zu wissen, hatten die Männer, die sich im Nachbarzimmer unterhielten, die Stimme geweckt. Seine Stimme. Die Stimme, die er als Einziger hörte. Die Stimme, die irgendwo in seinem Hinterkopf lauerte und immer dann erwachte, wenn er glaubte, sie sei endgültig verstummt.
Noch war sie nur ein unverständliches Flüstern, doch Cael wusste, dass sie bald lauter und immer lauter werden würde, bis sie ihm so sehr in den Ohren dröhnte, dass er taub für alles andere war. Wollte er das verhindern, musste er unbedingt ruhig bleiben, aber wie sollte das gehen, wenn ihm das Herz vor Angst bis zum Hals schlug?
Er konnte nicht sagen, wie viel Zeit verging. Endlich wurden hinter der Wand Stühle gerückt. Eine Tür knarrte, fiel ins Schloss und wurde verriegelt. Schritte entfernten sich, dann war es wieder totenstill. Kurz darauf gab Janlin seinen Horchposten auf und kam mit weit aufgerissenen Augen zu Cael zurück.
»Du wirst es nicht glauben, aber sie haben über dich gesprochen!«
»Ha, ha, sehr witzig«, murmelte Cael und wurde kreidebleich.
»Ich schwöre es dir! Den Rest habe ich nicht verstanden, aber ich bin sicher, dass sie deinen Namen gesagt haben! Mehrmals!«
Die Stimme in ihm wurde lauter. Cael versuchte, sie zu ignorieren, doch die Bilder, die das Raunen in seinem Kopf wachrief, waren stärker als sein Wille. Wie immer stachelten sie ihn zu Gewalt an. Zu Wut. Zu Bösartigkeit. Cael hatte schreckliche Lust, Janlin anzuschreien, ihn wüst zu beschimpfen oder ihn sogar zu schlagen, ohne dass er wusste, warum. Die Rückkehr dieses unkontrollierbaren Drangs jagte ihm entsetzliche Angst ein. Seit über einem Jahr hatte er keinen Anfall mehr gehabt. Diesmal durfte er nicht nachgeben!
Er musste sich beherrschen, sich beruhigen und seine Angst bezwingen. Aber das war gar nicht so einfach: Warum nur hatten mehrere Erwachsene mitten in der Nacht in einem abgelegenen Winkel des Großen Hauses seinen Namen genannt?
»Was liegt hinter der Wand?«, fragte er mit gepresster Stimme.
»Keine Ahnung«, antwortete Janlin. »Der Trakt gehört zur Bibliothek, also könnte es ein Klassenzimmer, eine Schreibstube oder auch eine Wachkammer sein. Die Flure sind so verwinkelt, da verliere ich immer die Orientierung.«
Cael konnte nur nicken. Jedenfalls änderte das nichts an seinem Problem. »Wir sollten lieber zurückgehen«, sagte er nach einer Weile. »Vielleicht haben sie schon bemerkt, dass wir weg sind. Vielleicht suchen sie sogar längst nach uns. Wir ersparen uns jede Menge Ärger, wenn wir schnell von hier verschwinden.«
»Und was ist mit den Büchern?«
»Wir können ein andermal wiederkommen. Oder wir lassen es gleich ganz bleiben. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
Schließlich konnte Cael nicht einfach sagen: »Ich höre eine Stimme in meinem Kopf, die mir zuruft:
Vorsicht! Gefahr! Schlag um dich,
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