Die Krieger 1 - Das Erbe der Magier
wenn Gefahr drohte. Ja, dort waren sie
ganz bestimmt,
versuchte sich Eryne einzureden.
Leider musste sie allein sein, um sich davon zu überzeugen. Der Kutscher war bereits in seine Wohnung zurückgekehrt, und die anderen Diener würden nicht vor dem zweiten Dekant eintreffen, wenn der Morgen graute. Sie musste also nur Beate nach Hause schicken, obwohl es ihr bei diesem Gedanken angst und bange wurde.
»Wahrscheinlich sind sie ausgegangen, ohne dass Ihr es bemerkt habt«, sagte sie mit starrem Lächeln. »Heute ist Vollmond, da hat mein Vater es sich wohl nicht nehmen lassen, einen Spaziergang zu machen!«
»Aber … Ohne mir etwas zu sagen? Ohne auf Euch zu warten?«
»Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sie einer verrückten Eingebung folgen! Ihr wisst doch, wie sie sind. Na kommt, Beate, geht nach Hause und legt Euch schlafen. Seid unbesorgt, ich bin sicher, dass sie uns morgen früh alles ganz genau erzählen werden.«
»Aber, Fräulein Eryne … Wäre es Euch nicht lieber, wenn ich bei Euch bleibe und auf sie warte?«
Eryne biss sich auf die Lippen, um nicht laut zu rufen:
»Doch, Beate, ich habe solche Angst! Lasst uns zusammen in den Kellergehen und nachsehen, ob sich meine Eltern dort versteckt haben! Und sagt mir vor allen Dingen, dass mir hier im Haus keine Gefahr droht!«
»Macht Euch keine Sorgen«, sagte sie stattdessen. »Ich komme zurecht.«
Obwohl Beate beharrlich protestierte, schob Eryne sie zur Tür und drängte sie, in ihre Strickjacke zu schlüpfen. Das Wohnhaus der Diener befand sich nur eine Straße weiter, aber es hätte genauso gut am anderen Ende der Stadt liegen können: Sobald die Haushälterin das eiserne Tor unter dem Steinbogen hinter sich zugezogen hatte, war Eryne auf sich allein gestellt.
Sie versuchte, nicht daran zu denken, während Beates Schritte leiser wurden und schließlich in der Nacht verklangen. Sie durfte sich jetzt nicht vor Angst verrückt machen. Tapfer schloss Eryne die Tür und drehte den Schlüssel zweimal um. Plötzlich fiel ihr auf, dass sie nicht einmal ihren Umhang abgelegt hatte, seit sie nach Hause gekommen war. Trotzdem fröstelte sie …
Mit einer Hand hielt sie den Dolch umklammert, mit der anderen nahm sie einen Kerzenleuchter und ging langsam in Richtung Küche. Obwohl sie sich zur Vernunft mahnte, fürchtete sie bei jeder dunklen Nische, dass sich gleich ein Mörder auf sie stürzen würde. Als sie endlich ins Speisezimmer gelangte, sah sie das Geschirr vom Abendessen noch auf dem Tisch stehen und hatte plötzlich das entsetzliche Gefühl, sie könnte ihre Eltern vielleicht nie wiedersehen. Es war nur ein flüchtiger Gedanke, aber er jagte ihr eine solche Angst ein, dass sie sofort auf die Tür zurannte, die in den Keller führte.
Sie hasste diesen Ort, der staubig und dunkel war, wie jeder Keller, den sie kannte. Obwohl sie seit Jahren nicht mehr dort gewesen war, schien sich nichts verändert zu haben. Die Regale bogen sich unter dem Gewicht von Töpfen und Terrinen, in einigen Körben wurde Gemüse gelagert, und mehrere Fässer warteten auf den Anstich. Dazu kamen Tausende Flaschen mit Wein und anderen edlen Tropfen. Selbst wenn sie einige Monde lang belagert würden, hätten sie genug zu essen – und zu trinken.
Wie die oberen Stockwerke war auch das riesige Kellergewölbe in mehrere Räume unterteilt. Eryne musste es in seiner gesamten Länge durchqueren, bis sie ihr Ziel erreichte. Die hintersten Kammern enthielten nurmehr altgediente Kochtöpfe, die kaum noch benutzt wurden, einige Stühle, die seit über einem Jahrhundert auf eine Reparatur warteten, und allerhand andere aussortierte Gegenstände.
Im letzten Raum war das Durcheinander besonders groß. Die bis an die Decke reichenden Stapel aus altem Plunder sahen aus, als könnten sie jeden Moment in sich zusammenstürzen, weshalb es wohl niemand wagen würde, hier aufzuräumen. Und genau das war die Absicht. Hinter all dem Wirrwarr verbarg sich ein Wandschrank, den Eryne nun vorsichtig öffnete.
Das Knarzen der großen Holztüren ließ sie erschauern, und der Tanz der Staubkörner im Kerzenlicht machte ihre letzte Hoffnung zunichte. Der Durchgang war seit langem nicht mehr benutzt worden.
Aber so schnell wollte sie nicht aufgeben. Sie stieg in den Schrank, zog die Türen hinter sich zu und betätigte einen geheimen Mechanismus in der Rückwand. In diese Richtung gingen die Türen etwas leiser auf und gaben den Weg in einen schmalen, leeren Gang frei. Der Saum ihres Ballkleids
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