Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
Keb und Cael waren immer noch bewusstlos, obwohl sie ihre Wunden versorgt hatten. Insgeheim bangten sie um ihr Leben, wollten die Insel aber auf keinen Fall ohne die beiden auskundschaften.
Nach dem Kampf gegen die K'lurier im Hafen von Lorelia waren sie ausgelaufen, obwohl das Gewitter immer noch mit voller Kraft getobt hatte. Die Gabiere hatte sich durch zwölf Schritte hohe Wellen kämpfen müssen, aber immerhin hatte das Wasser das Blut vom Deck gespült. Nach dem Unwetter war es Bowbaq und Amanon gelungen, das Hauptsegel zu setzen. Glücklicherweise erinnerte sich Bowbaq noch gut an die Reise mit der
Othenor
zwanzig Jahre zuvor und machte damit ihren Mangel an Erfahrung wett. Aus Angst, vom Kurs abzukommen, blieben sie dennoch wachsam, bis endlich die Insel in Sicht kam und sie vor der Küste vor Anker gingen.
Eryne und Nolan wechselten sich am Lager der Verletzten ab. Jedes Mal, wenn Amanon unter Deck ging, um nach Cael zu sehen, saßen die Lorelier schweigend da. Auch Niss hatte seit dem Ende der Kämpfe keine Regung gezeigt. Dabei mussten sie dringend miteinander reden. Es war, als warteten die Gefährten auf ein Zeichen, vielleicht von Amanon'selbst, der irgendwie zum Anführer ihrer kleinen Schar geworden war. Ganz wohl war ihm bei dieser Vorstellung nicht.
Während er gedankenverloren auf den dunklen Umriss der Insel starrte, dachte er an seine Eltern. Was hätte er dafür gegeben, einen von beiden an seiner Seite zu wissen. Corenn war so unendlich viel erfahrener und weiser als er selbst, und Grigan konnte zehnmal besser kämpfen. Dass er bislang überlebt hatte, verdankte er vor allem seinen guten Reflexen und einer gehörigen Portion Glück. Trotzdem hatte er sich eine tiefe Wunde am Unterarm zugezogen, die in der salzigen Meeresluft höllisch brannte. Er war nun mal kein Krieger. Sein Gebiet war die Diplomatie, und er beherrschte zahlreiche Sprachen, aber mit Waffen und strategischen Überlegungen kannte er sich nicht aus.
Dennoch hatte er auf seinen Reisen gelernt, sich allein in der Fremde zurechtzufinden und entschlossen und tatkräftig zu handeln. Irgendjemand musste schließlich bestimmen, wie es weiterging. Der Einzige, dem er diese Auf gäbe hätte überlassen können, war Bowbaq, aber der fügte sich aus »Höflichkeit«, wie er es zu nennen pflegte, stets dem Willen der anderen. Seufzend kehrte Amanon der Nacht den Rücken und stieg in die Kombüse hinunter. Er würde sich mit dem Gedanken abfinden müssen, dass er die Verantwortung für seine Gefährten trug. Es gab viel zu besprechen. Entscheidungen mussten getroffen werden, und er konnte nur hoffen, dass sie nicht zu neuen Katastrophen führten. Sie hatten schon genug durchgemacht.
Zuallererst mussten sie beurteilen, ob Nolan weiterhin ihr Vertrauen verdiente – ob er immer noch zu ihnen gehörte.
Wenn sie sich dagegen entschieden, würde Amanon vor nichts zurückschrecken, so schwer es ihm auch fiele.
Nachdem sie lange Zeit von Weinkrämpfen geschüttelt worden war, fühlte sich Eryne stumpf und leer. Dass sie todmüde war, machte die Sache nicht besser. Der neunte Dekant neigte sich seinem Ende zu, und sie hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan. Der blutige Kampf im Hafen von Lorelia und Nolans erschreckendes Geständnis gingen ihr einfach nicht aus dem Kopf. Sie hatte geglaubt, ihren kleinen Bruder besser zu kennen als jeden anderen. Wenn sie die Lider auch nur für einen Moment schloss, wurde sie von albtraumhaften Bildern heimgesucht, die ihren Bruder, Cael oder die k'lurischen Mörder in immer grauenhafteren Szenen zeigten, die sie zum Teil tatsächlich mit angesehen hatte. Ohnehin wollte sie sich keinen Schlaf gönnen. Zwei von ihnen waren im Kampf verwundet worden, und sie würde so lange wie nötig an ihrem Bett wachen. Das war eine Frage der Ehre und die einzige Möglichkeit, ihre Untätigkeit in der Schlacht wiedergutzumachen. Alle hatten etwas für das Überleben der anderen getan, selbst Niss mit ihren dreizehn Jahren, während Eryne sogar noch versucht hatte, sie zurückzuhalten. Und selbst daran war sie gescheitert. Für Eryne war dieses Gefühl der Ohnmacht neu. Sie war es von klein auf gewohnt, dass ihr eine Schar Diener jeden Wunsch von den Augen ablas. Nun musste sie ihr Schicksal plötzlich selbst in die Hand nehmen und empfand nur noch Scham und Verzweiflung. Scham, weil sie den anderen zur Last fiel und keine nützliche Fähigkeit hatte.
Und Verzweiflung, weil sie nichts dagegen unternehmen konnte. Eins war
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