Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
wurde so übermächtig, dass er an nichts anderes mehr denken konnte.
Will dieser verdammte Dämon denn gar nicht sterben?
Er begann zu befürchten, dass sie die Bestie nicht töten konnten. Schließlich lag es nur in der Macht eines Gottes, einem anderen Gott das Leben zu nehmen, und diese Kreatur schien aus der Unterwelt des Kam zu stammen.
Diese Sorge wurde bald von einer zweiten, noch größeren verdrängt: Seine innere Stimme erwachte. Er hatte von Anfang an damit gerechnet und inständig gehofft, dass er diesmal nicht dem Wahn verfallen würde. Doch vergeblich. Bilder von Hass und Angst stiegen in ihm auf, bis er nichts anderes mehr spürte. Binnen kürzester Zeit würde er sich in eine rasende, mordgierige Bestie verwandeln.
Während er zugleich gegen den Dämon und den aufwallenden Wahnsinn ankämpfte, fiel ihm das Gespräch mit Niss wieder ein. Sie hatte behauptet, zwei Caels gesehen zu haben. Vermutlich hatte sie sich das eingebildet, aber andererseits musste sie während ihrer langen Versunkenheit im Tiefen Traum und als Erjak so viele ungewöhnliche Dinge gesehen haben, dass vielleicht ein Funken Wahrheit darin steckte.
Er hatte keine Wahl. Die Stimme konnte jeden Moment die Oberhand über seinen Körper gewinnen, und dann wäre er blind vor Zerstörungswut. Also tat Cael etwas, das er noch nie getan hatte: Er hörte auf, sich gegen den Anderen zu wehren, und überließ ihm freiwillig einen Platz in seinem Geist.
Es war ganz anders als erwartet. Seltsamerweise war er immer noch er selbst und merkte doch, dass er nicht mehr der Cael von gerade eben war. Er war … die Vereinigung von beiden. Ein Großteil von ihm war noch der Junge, der im Großen Haus von Kaul zur Schule gegangen war, und ein ganz kleiner Teil gehörte dem Wesen, das der Stimme gehorchte.
Und das war schon genug, um seinen Siegeswillen anzufachen. Plötzlich führte er sein Rapier viel geschickter und empfand den Dämon nicht mehr als unbezwingbaren Gegner, sondern als niederes Geschöpf, das ihnen schon viel zu lange auf der Nase herumtanzte. Mit einer Reihe blitzschneller, zielsicherer Angriffe fügte er dem Ungeheuer neue, klaffende Wunden zu und zog damit seine geballte Wut auf sich. Er konnte gerade noch zurückspringen, bevor es ihn am Kopf erwischte.
Ermutigt von diesem Erfolg wagte er, seinen Geist noch weiter für die Stimme zu öffnen. Mit dem Hass und der Machtgier, die sie in ihm schürte, wuchsen auch seine Kraft und seine Gewandtheit. Ihm war klar, wie gefährlich sein Experiment werden konnte, wenn er es zu weit trieb. Doch die Aussicht, seinen Wahn endlich kontrollieren zu können, war so berauschend, dass er alle Vorsicht vergaß. Bald nahm die Stimme in ihm genauso viel Platz ein wie der Cael, der er für gewöhnlich war – und zwang so den Dämon, der bisher stets als Erster angegriffen hatte, in die Verteidigung.
Unzählige Male schlug er zu und verwundete die Bestie an allen Stellen, die er erreichen konnte, bis sie nur noch ein wimmerndes Häuflein Elend war. Mano und Nolan nutzten die unerwartete Gelegenheit, um ihrerseits verstärkt anzugreifen.
Zuletzt wehrte sich ihr Gegner kaum noch, und Cael trat einen Schritt zurück, um sich an seinem Leid zu weiden, bevor er mit einem gehässigen Grinsen das Rapier zum Todesstoß hob. In diesem Moment streckte Amanon das Untier mit einem kräftigen Hieb nieder und verdarb ihm alles.
»Dazu hattest du kein Recht!«, kreischte Cael vollkommen außer sich vor Wut. »Das war mein Sieg!«
Keuchend und zu Tode erschöpft stand Amanon da und starrte ihn entgeistert an. Erst als sein Blick zu dem Rapier wanderte, das Cael auf ihn gerichtet hatte, bemerkte der Junge, was er da tat. Für den Bruchteil einer Dezille, der ihm wie eine Ewigkeit vorkam, fragte er sich sogar, ob er nicht zustoßen und seine Überlegenheit beweisen sollte …
Doch dann zog sich die Stimme langsam in die Tiefen seines Geistes zurück und entließ ihn in unendliche Einsamkeit und Schwäche.
***
Ungeduldig wie noch nie zieht Usul in seiner Höhle Kreis um Kreis. Nach Tagen der Ungewissheit, in denen er nur grübeln und mutmaßen konnte, scheint ein Teil der Zukunft endlich entschieden. Alles andere ist noch vage und unbestimmt, aber trotz der unzähligen Wege, die die Geschichte einschlagen kann, steht ein Ereignis fest.
Einige Sterbliche werden zu ihm kommen.
Und der Gott weiß schon jetzt, welche Fragen sie ihm stellen werden.
Die Reise der Krieger geht weiter:
Pierre Grimbert
DIE
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