Die Krieger 2 - Der Verrat der Königin
Stimme.
Zejabel fuhr schaudernd herum. Auch sie hatte irgendein fremdartiges Wesen erspäht, womöglich hatte sie es sogar mit ihrem Pfeil getroffen. Aber noch bevor sie etwas erwidern konnte, wurde von innen so heftig gegen die Falltür gestoßen, dass der Stein zu wackeln begann. Kurz darauf krachte etwas schwer zu Boden, dann folgten neue, noch brutalere Schläge. Fassungslos sahen sich die Erben an.
»Wir sollten nicht hierbleiben«, sagte Bowbaq schließlich und riss sie damit aus ihrer Starre.
»Wir stehen auf dem Dach«, meinte Nolan. »Wie können wir von hier weg?«
»Wir machen es wie die Kinder«, rief Keb und schulterte die Leiter. »Kommt mit.« Er führte sie zum Rand, legte die Leiter quer und schuf so einen Übergang zum Nebengebäude. Glücklicherweise waren die Dächer der Stadt gerade schräg genug, dass das Regenwasser in die Gässchen zwischen den Häusern ablief. So konnten sie hoffen, auf diesem Wege einigermaßen weit zu kommen. »Das ist viel zu gefährlich«, sagte Eryne, die totenbleich geworden war. »Gefährlicher, als hierzubleiben?«, gab Keb zurück.
Er zauderte nicht lange, sondern lief aufrecht Sprosse für Sprosse über den Abgrund hinweg, sprang auf das gegenüberliegende Dach und hielt dann die Leiter fest. Während die anderen ihm folgten, kauerte sich Zejabel neben Amanon an die Kante, die der Straße zugewandt war.
Einige Goroner waren wieder aus dem Gebäude gestürmt und richteten ihre abscheulichen Masken suchend nach oben. Als sie die beiden auf dem Dach entdeckten, war es zu spät: Zejabels Pfeile sirrten hinunter und streckten zwei der Gestalten nieder. Die übrigen Männer flohen mit wehenden Mänteln zurück ins Haus. »Ich hätte auf meinen Vater hören sollen«, bemerkte Amanon. »Er wollte unbedingt einen Bogenschützen aus mir machen.«
Er lief zur Leiter, während Zejabel den Hauseingang im Auge behielt, bis er das gegenüberliegende Dach erreicht hatte. Dann stieß sie als Letzte zu den anderen, die schon ungeduldig auf sie warteten. Der Stein auf der Falltür wackelte nicht mehr, was nur eins bedeuten konnte: Die Kreatur und ihre Verbündeten hatten einen anderen Plan ersonnen.
Hastig flohen die Erben von Dach zu Dach, doch ihre Verfolger erspähten sie von der Straße aus, huschten ihnen hinterher und waren jetzt vorsichtig genug, sich nicht aus der Deckung der Häuser zu wagen. Zejabel hatte ihre Pfeile zwar griffbereit, konnte ihre schwarzen Mäntel im Schatten der Mauern aber nicht sehen. Wenn sie die Ohren spitzte, hörte sie die Rufe, mit der sie sich von einer dunklen Nische zur nächsten verständigten. Es schienen mindestens zehn oder zwölf zu sein, und sie waren ihnen hartnäckig auf den Fersen.
»Das ist sinnlos«, keuchte Amanon. »Irgendwann stürmen sie ein anderes Haus und klettern hoch zu uns aufs Dach.«
Eine Antwort erübrigte sich, als plötzlich ein dumpfes Grollen von der Straße heraufdrang. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Sie wurden tatsächlich von einem Ungeheuer verfolgt. Mit einem Pfeil in der Sehne ihres Bogens lugte Zejabel nach unten, konnte aber keine Bewegung ausmachen. Im gleichen Moment erklang das Grollen von der anderen Seite des Gebäudes. »Es ist unglaublich schnell«, sagte Cael mit aschfahlem Gesicht. »Oder es sind mehrere«, stöhnte Nolan.
Einen Augenblick lang standen sie unschlüssig herum, dann rannten sie Keb nach, der die Leiter bereits zum nächsten Dach hinüberschob. Über die Richtung brauchten sie nicht lange nachzudenken, denn das Haus, auf dem sie sich befanden, grenzte nur an ein einziges Nachbargebäude. Ausgerechnet hier war die Gasse jedoch so breit, dass ihre Behelfsbrücke nur ganz knapp auf der Dachkante auflag.
»Das schaffe ich nicht«, jammerte Eryne. »Bis da drüben sind es fast fünf Schritte, und nach unten dreimal so viel!«
»Hab keine Angst«, sagte Niss ruhig. »Mach es mir einfach nach.« Ohne zu zögern, betrat das Mädchen die Leiter. Ihr Großvater stürzte herbei und hielt das Ende fest, während Niss mit ausgestreckten Armen zur anderen Seite hinüberbalancierte. Die Sprossen waren breit genug, um den Füßen Halt zu bieten, aber Zejabel bewunderte dennoch ihren Mut. Nur wenige ihrer Rivalinnen um den Titel der Kahati waren so kühn gewesen.
Als Nächster überquerte Keb die Brücke in einer Geschwindigkeit, die an Leichtsinn grenzte. Als er drüben war, gab sich auch Eryne einen Ruck, denn das Grollen wurde immer lauter. Das Geschöpf musste ganz nah sein. Sie
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