Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
richtige Stelle zurückbewegte. Einen Augenblick später verlor der Arkarier erneut das Bewusstsein.
Nolan rieb die Schulter mit einer schmerzlindernden Salbe ein und trug Niss auf, ihren Großvater in regelmäßigen Abständen das Riechsalz einatmen zu lassen, damit er so bald wie möglich aufwachte.
Nachdem die Verletzten versorgt waren und die Erben etwas gegessen hatten, begannen sie ihre Flucht aus Goran vorzubereiten. Keb und Cael versuchten, eine Bahre zu zimmern, aber das Holz in der Kapelle war viel zu morsch oder vermodert. Daraufhin erbot sich Keb, in den Läden des Viertels Material zu besorgen, und nach einigem Zögern willigte Amanon in den Vorschlag ein. Zum Glück brachte Keb den Ausflug ohne Zwischenfälle hinter sich – zumindest behauptete er das, als er mit zwei Paar Rudern, aus denen er den Rahmen basteln wollte, dickem Seil und zwei Säcken aus robustem Jutestoff zurückkehrte. Amanon konnte sich die Frage nicht verkneifen, wie viel Keb für die Ruder bezahlt habe, schließlich wirkten sie nicht gerade nagelneu. Anders gesagt, hatte er überhaupt dafür bezahlt? Anstelle einer Antwort setzte Keb nur ein selbstzufriedenes Grinsen auf.
Gegen Ende des zweiten Dekants, als die Sonne schon hoch am Himmel stand, waren die Tragen für Bowbaq und Zejabel fertig. Nun mussten die Erben nur noch entscheiden, wann sie aufbrechen sollten. Es galt abzuwägen, wie gefährlich der Transport der Verletzten sein würde, wie lange sie noch unentdeckt in der Kapelle bleiben konnten und wann sie am unauffälligsten zum Hafen kämen. Nach langer Diskussion einigten sie sich darauf, kurz nach Mit-Tag aufzubrechen, denn um diese Zeit würden die meisten Goroner wohl zum Essen zu Hause sein. Außerdem hofften sie, dass der eine oder andere Regenschauer die Menschen in ihre Häuser treiben würde, doch zu ihrem Pech hatten sich die Wolken des Vortags verzogen, und der Himmel war tiefblau.
So verging ein weiterer langer Dekant mit bangem Warten. Die Anspannung der Erben wuchs, als ein Trupp Soldaten der kaiserlichen Armee mit ihren eisenbeschlagenen Stiefeln über das Pflaster vor der Kapelle marschierte. Womöglich hatte die Dunkle Bruderschaft auch das goronische Heer unterwandert, nicht anders als die Graue Legion in Lorelia und das Große Haus von Kaul!
Außerdem wussten sie nicht, was aus den Leichen ihrer Feinde geworden war. Vielleicht waren die Überlebenden an den Schauplatz des Kampfes zurückgekehrt, um ihre toten Kameraden und womöglich sogar den Kadaver der Bestie zu beseitigen. Und wenn nicht? Suchten die Schutzmänner der Stadt schon nach den Mördern? Würde man sie auf dem Weg zum Hafen verhaften?
Vermutlich war es klüger, erst im Schutz der Dunkelheit zur
Rubikant
zu flüchten, aber Amanons Plan funktionierte nur, wenn sie noch vor Einbruch der Dämmerung an Bord gingen. Mit wachsender Nervosität sahen die Erben dem entscheidenden Augenblick entgegen.
Doch es gab auch Grund zur Freude, denn Bowbaq erwachte endlich aus seiner Ohnmacht. Als Niss ihm zum sechsten Mal das Riechsalz unter die Nase hielt, begann er plötzlich wie wild mit den Armen zu fuchteln. Während er innerlich offensichtlich noch einmal den Sturz vom Dach durchlebte, traf er mit einer seiner weit ausholenden Bewegungen die arme Niss, die vor Überraschung und Schmerz aufschrie. Die Stimme seiner Enkelin holte Bowbaq in die Wirklichkeit zurück: Er schlug die Augen auf und starrte seine Freunde, die eilig herbeigelaufen kamen, verständnislos an. Als die erste Benommenheit verflogen war, versuchte er sich aufzurichten und griff sich mit schmerzverzerrter Miene an Schulter und Nacken. Niss drückte ihn sanft zurück auf die Decke und schmiegte sich an ihn.
Alle warteten geduldig, bis er vollends zu sich kam und seine Stimme wiederfand, die zunächst noch ganz piepsig klang. Doch kaum hatten sie die ersten freudigen Worte gewechselt, bat Bowbaq seine Freunde im gewohnten Brummton, ihm beim Aufstehen zu helfen.
»Das ist keine gute Idee«, meinte Nolan. »Du solltest dich lieber noch schonen. Wir haben eine Trage gebaut.«
»Mit meinen Beinen ist alles in Ordnung«, brummte Bowbaq. »Mir tut nur … der
arjak
weh …«
Offenbar hatte er nicht einmal bemerkt, dass er seine Muttersprache benutzt hatte, aber die anderen verstanden, was er meinte, als er sich den Schädel rieb. Mit langsamen, unbeholfenen Bewegungen stützte er sich auf einen Ellbogen, wälzte sich auf die Seite und kam, noch bevor ihn die anderen daran hindern
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