Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
wo sie gefangen gehalten werden!«
Amanon nickte und zwang sich zu einem Lächeln, obwohl er Erynes Zuversicht nicht teilte. Der allwissende Gott konnte ihnen vermutlich tatsächlich sagen, was ihren Eltern zugestoßen war, aber was, wenn er ihnen von ihrem Tod berichtete? Was, wenn niemand von ihnen der Erzfeind war und sie ihre Hoffnung, Sombre zu bezwingen, begraben mussten?
»Usul könnte uns auch helfen, die anderen Götter zu warnen«, sagte Nolan. »Er ist der Einzige, dessen irdischen Aufenthaltsort wir kennen, der Einzige, bei dem wir sicher wissen, wo wir ihn finden. Über ihn können wir vielleicht sogar mit Eurydis und anderen Unsterblichen in Verbindung treten – am besten mit allen, denen daran gelegen sein müsste, den Erzfeind zu beschützen. Wir dürfen uns diese Chance, mächtige Verbündete zu gewinnen, nicht entgehen lassen.«
»Wenn ich das richtig sehe, hängt unsere Zukunft also von dem Besuch bei einem sprechenden Fisch ab«, sagte Keb lakonisch. »Dann sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen.«
»Es gibt noch etwas, das wir bedenken müssen«, sagte Amanon.
Sein ernster Ton sicherte ihm sofort die Aufmerksamkeit aller.
»Wir wissen nicht, ob Usul ein Kind des Dara oder des Kam ist. Mit dieser Reise könnten wir ebenso gut einem von Sombres Verbündeten in die Fänge gehen. Usul der Wissende steht nicht unbedingt in dem Ruf, besonders wohlwollend oder gnädig zu sein, im Gegenteil.«
Da alle schwiegen, stieß er einen schweren Seufzer aus und ergriff wieder das Wort. »Aber wenn wir Glück haben, wissen wir danach, wer der Erzfeind ist, wo sich unsere Eltern befinden und vielleicht sogar, wie wir den Dämon besiegen können. Ich finde, das ist das Risiko wert.«
Die anderen nickten zögernd. Ihre Begeisterung war jedoch wie weggeblasen.
Die Dinge, die Amanon und Nolan von der
Rubikant
mitgebracht hatten, versetzten ihre Gefährten in helle Freude. Eryne zog sich die Jacke über, als wäre sie ein aus Gold gesponnener Mantel. Niss griff zum Wasserschlauch, um ihren Durst zu stillen, und deckte Bowbaq mit der warmen Decke zu, Keb brach ein großes Stück Krümelbrot ab und schob es sich gierig in den Mund. Nach der langen Nacht in der feuchten, zugigen Kapelle kamen ihnen diese einfachen Dinge vor wie wahre Schätze.
Als Nächstes kümmerten sie sich um die Verletzten, vor allem um Zejabel, die sie nun endlich besser verarzten konnten. Geduldig säuberte Nolan ihre Wunden, trug Salbe auf und wechselte den Verband, so wie er es von den heilkundigen Maz gelernt hatte. Als er begann, ihre Bauchwunde zu nähen, brach ihm der kalte Schweiß aus. Zum Glück konnte ihm Keb mit Ratschlägen beistehen: Bei Kämpfen gegen Thalitten oder Prügeleien im Suff war er schon so oft verwundet worden, dass er aus eigener Erfahrung wusste, wie man verletzte Körper wieder zusammenflickte. Trotzdem bestand Nolan darauf, sich eigenhändig um Zejabel zu kümmern.
Was Bowbaq anging, waren die Freunde immer noch ratlos. Da er keine äußeren Verletzungen feststellen konnte, hielt ihm Nolan ein Fläschchen Riechsalz unter die Nase, um ihn aus der Ohnmacht zu wecken. Schon beim ersten Versuch hatte er Erfolg.
Bowbaq verzog das Gesicht, schob das Fläschchen unwirsch weg und griff sich an die linke Schulter, bevor er wieder wegdämmerte. Das gab Nolan einen wertvollen Anhaltspunkt. Mit Niss’ Hilfe entblößte er den Oberkörper des Verletzten, tastete die Schulter ab und kam rasch zu dem Schluss, dass sich Bowbaq das Gelenk ausgekugelt hatte.
Den Gefährten war klar, dass sie die Schulter so schnell wie möglich wieder einrenken mussten: Solange Bowbaq bewusstlos war, würde er den Schmerz weniger spüren. Während sich die Männer auf diese heikle Aufgabe vorbereiteten, vergrub Niss das Gesicht an Erynes Schulter, um das Ganze nicht mit ansehen zu müssen. Doch die anderen diskutierten erst noch ausführlich darüber, in welche Lage sie den Verletzten bringen sollten, in welchem Winkel der Arm gehalten werden musste und wie sie sich am besten aufstellten. Schließlich verließen sich die Freunde abermals auf Kebrees Erfahrung. Er behauptete nämlich, sich schon einmal selbst die Schulter eingerenkt zu haben, und zwar mit einem Seil, das er sich ums Handgelenk gebunden hatte!
Es klappte viel besser als erwartet. Als die anderen ihm das vereinbarte Zeichen gaben, zog Keb einmal kräftig an Bowbaqs Arm. Obwohl Bowbaq knurrte wie ein Bär, hörten alle das Knirschen, mit dem sich der Knochen an die
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