Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
heftig und hielt ihr die Handflächen hin.
Niss zuckte unwillkürlich zurück. An seinen Händen klebte eingetrocknetes schwarzes Blut. Das Blut einer übernatürlichen Kreatur, vielleicht gar eines Dämons, den Cael zusammen mit Amanon und Nolan in einem erbitterten Kampf besiegt hatte.
»Sie hätten mir das alles viel früher sagen müssen. Anstatt nach einer Lösung zu suchen, haben sie so getan, als wäre nichts! Dabei hätten sie vielleicht verhindern können, dass ich … dass ich ein …«
»Du bist nicht verrückt, Cael! Du kannst doch nichts dafür, das wissen wir alle.«
Er sah sie so durchdringend an, dass es Niss unheimlich wurde.
»Ja, aber irgendwann wird es zu spät sein! Irgendwann werde ich einen von euch verletzen oder ihm noch Schlimmeres antun. Aber dann nützt alles Jammern nichts, denn dann ist es zu spät, um euch mit dem Ungeheuer zu beschäftigen, das in mir steckt!«
Er wandte sich ab, seufzte schwer und lugte durch den Türspalt nach draußen. Dann sprach er so leise weiter, dass Niss die Ohren spitzen musste, um ihn zu verstehen.
»Du bist die Einzige, die sehen konnte, wie die Stimme in mir Gestalt angenommen hat. Du musst mir helfen, sie zu bekämpfen. Oder sie zumindest zu verstehen.«
»Ja, aber wie soll ich das …«
»Bitte«, flehte Cael. »Das ist vielleicht meine letzte Chance. Bei meinem nächsten Anfall wird etwas Schreckliches geschehen, das spüre ich. Versprich mir, dass du versuchen wirst, mir zu helfen.«
Niss blickte in das verzweifelte, erschöpfte Gesicht des Jungen, auf dem die Krallen der Bestie blutige Spuren hinterlassen hatten, und plötzlich blitzte für den Bruchteil einer Dezille eine Erinnerung in ihr auf: Cael hatte seine Waffe gegen sie erhoben, an einem anderen Tag, in einer anderen Stadt. Wieder hatte sie das seltsame Gefühl, dass ihre Schicksale miteinander verbunden waren, auf unheilvolle Weise.
In diesem Moment ließ sie ein Poltern an der Tür zusammenfahren. Niss sprang sofort auf, um zu ihrem bewusstlosen Großvater zu eilen und ihn nötigenfalls mit allen Mitteln zu verteidigen, doch Cael packte sie am Arm und hielt sie sanft, aber entschlossen fest.
»Versprich es mir«, drängte er.
»Ich verspreche es. Du kannst dich auf mich verlassen.« Niss rannte aus der Kammer, während sich Cael aufrappelte, um ihr zu folgen. Es wäre ihr nie in den Sinn gekommen, ihm ihre Hilfe zu verweigern.
Sie würde ihm helfen, gegen die rätselhafte Stimme in seinem Kopf zu kämpfen, ganz gleich, wie gefährlich das werden mochte.
Bei seiner Rückkehr in die Kapelle war Amanon auf das Schlimmste gefasst gewesen: den Tod eines der Verletzten oder einen Hinterhalt von Phrias’ Anhängern. Doch zum Glück war alles in Ordnung. Die neugierigen und erleichterten Blicke, mit denen ihn Eryne, Niss und sogar Keb begrüßten, beruhigten ihn sofort.
»Wo habt ihr euch denn so lange rumgetrieben?«, polterte der Wallatte. »Man braucht ja wohl keinen ganzen Dekant, um einmal zum Hafen und wieder zurück zu gehen! Habt ihr euch verlaufen?«
Nolan vergewisserte sich noch einmal, dass ihnen niemand gefolgt war. Erst als er die Tür zugezogen hatte, schilderte Amanon den anderen die Lage. Sie hatten sich an diesem Morgen schon genug Gefahren ausgesetzt, da konnte er auf ein Wortgefecht mit Keb gut verzichten.
»Auf dem Schiff ist alles in Ordnung, aber die Hafenausfahrt wird bewacht. Wahrscheinlich stehen auch sämtliche Tore unter Beobachtung. In Goran gibt es so viele Festungsmauern und Wachtürme, dass man nur genügend Männer braucht, um alle Wege aus der Stadt abzuriegeln.«
Die Neuigkeit wurde mit großer Enttäuschung aufgenommen. In diesem Moment stieß auch Cael zu den Gefährten und nickte seinem Cousin verlegen zu. Amanon erwiderte den stummen Gruß. Ihm fiel ein Stein vom Herzen. Er hatte mit wachsender Sorge gesehen, wie der Junge die ganze Nacht dumpf vor sich hingebrütet hatte, aber nun schien es ihm besser zu gehen.
»Und was sollen wir jetzt tun?«, fragte Eryne. »Wir können schließlich nicht warten, bis die Wachen irgendwann abziehen!«
»Ich kenne ein paar Stellen an der Stadtmauer, wo wir uns mit Gewalt Durchgang verschaffen können«, meinte Keb. »Wir müssten nur zwei oder drei Wachen außer Gefecht setzen und mit einer Eisenkralle und einem Seil auf die andere Seite klettern. Allerdings …«
Er deutete mit dem Kopf auf Zejabel, über die sich Nolan besorgt gebeugt hatte. Mehr brauchte er nicht zu sagen: Da sie zwei Verletzte tragen
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