Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
vergruben. Dennoch rechnete Zejabel jeden Moment damit, dass sich ein Lemurendämon mit gebleckten Zähnen und scharfen Krallen aus der Dunkelheit auf sie stürzte.
Den anderen war nicht minder bang zumute. Selbst Keb, der sonst immer zu einem Scherz aufgelegt war, hatte seine übliche Großspurigkeit abgelegt und kniff wachsam die Augen zusammen. Wie Nolan, Amanon und Cael trug er in der einen Hand eine Fackel und in der anderen die gezogene Waffe. Niss und Eryne gingen in der Mitte und reckten ihre Fackeln hoch empor. Trotzdem konnten sie nicht mit Bowbaq mithalten, dessen Flamme wie ein Leuchtfeuer über ihren Köpfen loderte.
»Beim letzten Mal warteten die Ratten, bis wir im Inneren der Insel waren«, erklärte Bowbaq flüsternd. »Früher oder später werden wir den Strand verlassen müssen.«
»Corenn schreibt in ihrem Tagebuch, dass sie erst angegriffen haben, nachdem Yan in die Höhle hinuntergetaucht war«, ergänzte Nolan.
»So gefährlich sie auch sind, ich glaube kaum, dass die Tiere vorsätzlich handeln«, widersprach Amanon. »Wenn es hier noch Ratten gibt, werden sie sich sicher bald zeigen. Dann können wir abschätzen, wie viele es sind.«
»Vielleicht gibt es eine Verbindung zwischen Usul und den Ratten?«, meinte Nolan. »Schließlich ist er der Wächter der Heiligen Insel der Guori. Vermutlich sind alle Lebewesen hier seiner Herrschaft unterworfen.«
Zejabel pflichtete ihm mit einem Nicken bei. Zuia übte einen ähnlichen Einfluss auf das Lus’an und die Tiere aus, die in den Sümpfen lebten.
»Aber das würde ja heißen, dass Usul seinen Besuchern die Ratten auf den Hals hetzt«, rief Eryne. »Was für ein schrecklicher Gedanke!«
»Vielleicht hat er keine direkte Macht über sie. Erst wenn jemand in seine Höhle hinabtaucht, könnte das die Ratten anlocken. Aber das ist nur so eine verrückte Idee. Wahrscheinlich mache ich euch völlig grundlos Angst.«
»Gehen wir weiter«, entschied Amanon. »Und wer eine Ratte sieht, gibt sofort Bescheid.«
Zejabel warf Nolan einen anerkennenden Blick zu und setzte sich wieder an die Spitze. Sie fand seine Vermutungen einleuchtend. Klug wie er war, zog er aus ein paar vermeintlich unzusammenhängenden Tatsachen seine Schlüsse, vor allem, wenn es um die Welt der Götter ging.
Mit vorsichtigen Schritten bewegten sich die Gefährten auf den seit Jahrhunderten erloschenen Vulkan zu, der sich in der Mitte der Insel erhob. Bald ging es stetig bergauf. Bislang hatten sie keine einzige Ratte gesehen, aber Nolans Worte klangen ihnen noch in den Ohren. Bis zum Gipfel war es ein gutes Stück.
»Die Büsche stehen sehr viel höher, als ich es in Erinnerung habe«, bemerkte Bowbaq. »Vor zwanzig Jahren gingen sie mir gerade bis zu den Knien.«
Für Zejabels Geschmack waren es vor allem viel zu viele Büsche. In diesem Gestrüpp aus Stechpalmen und Dornenranken lauerten sicher unzählige Gefahren. Vermutlich befanden sich auch die Rattennester unter den Sträuchern, und die Erben würden jeden Moment in eins hineintreten. Mittlerweile trugen sie die Fackeln auf Hüfthöhe, damit sie dem ersten Riesennager, der sich ihnen zeigte, die Schnauze verbrennen konnten.
Ihre Anspannung ließ nur geringfügig nach, als sie begannen, den kahlen Felshang oberhalb der Baumgrenze zu erklimmen. Zejabel warf einen Blick über die Schulter, um sich zu vergewissern, dass die Feluke immer noch sicher vor Anker lag, sah aber nur die Laterne, die sie auf dem Schiff zurückgelassen hatten. Der winzige Lichtpunkt in der Ferne flackerte schwach. Rasch schob Zejabel die Furcht beiseite, er könnte erlöschen, denn Angst machte nur schwach und verwundbar.
Nach einer Weile erreichten sie den Gipfel, ein Felsplateau von ungefähr dreißig Schritten Durchmesser. Usul hatte sein Versteck gut gewählt, aber die Erben konnten aus dem Wissen ihrer Eltern schöpfen und fanden den Zugang zu seiner Höhle, einer vier Schritte breiten Öffnung, trotz der Dunkelheit mühelos. In dem mit Wasser gefüllten Krater lebte einer der ältesten Sprösslinge des Jal.
»Das ist es?«, fragte Keb verblüfft.
»Ja«, antwortete Bowbaq mit Grabesstimme.
Einen Moment lang starrte er in die Finsternis hinunter, bevor er sich umdrehte und ängstlich über den Rand des Felsplateaus spähte. Zejabel tat es ihm gleich, konnte aber nicht viel erkennen.
»Am besten zünden wir als Erstes ein Feuer an«, sagte Amanon.
Wortlos folgten die anderen seiner Anweisung. Nach wenigen Dezillen loderten helle Flammen
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