Die Krieger 3 - Die Stimme der Ahnen
Amanon ihr nicht von der Seite wichen und beide den Blick des anderen mieden.
Zur Nordküste der Insel war es weiter, als Nolan gedacht hatte. Vielleicht erschien ihm der Weg aber auch nur besonders lang, weil sie kaum vorankamen. Zuia ging absichtlich langsam, auch wenn sie immer wieder von Keb oder Zejabel unsanft vorwärtsgestoßen wurde. Amanon wiederum beäugte die Umgebung mit Argusaugen, weil er fürchtete, in einen Hinterhalt der Züu zu geraten, während Cael mit seltsam traurigem Blick dahintrottete, ebenso wie Bowbaq, der um seine Enkelin trauerte. Nolan selbst war zwischen Angst und Erleichterung hin- und hergerissen.
Zumindest gab es auch Grund zur Freude. Sie hatten gefunden, was sie gesucht hatten: die ethekischen Lehrbücher. Nun zweifelte er nicht mehr daran, dass sie das Geheimnis der Pforten lüften und einen Weg finden würden, ins Jal zu ihren Eltern zu gelangen, auch wenn es mehrere Monde dauern würde.
Zudem war Nolan insgeheim begeistert von der Aussicht, bald eine Nichte oder einen Neffen zu bekommen. Natürlich war dieses Gefühl ein bisschen selbstsüchtig, denn schließlich war die Situation für Eryne, Keb und Mano alles andere als leicht. Aber er konnte einfach nicht anders, als sich über die Geburt eines weiteren Erben zu freuen, der vielleicht sogar der Erzfeind war. Womöglich hatten sie den ganzen beschwerlichen Weg nur zurückgelegt, um von seiner Existenz zu erfahren! Ihr Abstecher auf die Insel der Dämonin hatte sich also gelohnt.
Nicht zuletzt war er überglücklich, dass sich Usuls Prophezeiung nicht erfüllt hatte. Keiner von ihnen hatte seine Gefährten in der höchsten Not verraten, dabei hatte zumindest Zejabel eine gute Gelegenheit dazu gehabt. Nolan hatte zwar keine Dezille an ihr gezweifelt, aber nun war er überzeugt, dass sich ihre Wege nicht so bald trennen würden.
Der salzige Geruch nach Meerwasser riss ihn aus seinen Gedanken. Bisher waren sie einen halben Dekant lang über ansteigendes Gelände durch den Urwald marschiert. Eryne hatte ihnen den Weg gewiesen, indem sie dem Bild folgte, das sie in den Gedanken der Züu gesehen hatte. Jetzt erreichten sie die Steilküste.
Es war Abend geworden, aber die Hitze hatte nicht nachgelassen. Nolan mochte immer noch nicht so recht an das Wunder glauben und lehnte sich mit seinem ganzen Gewicht gegen den Wind, um einen Blick über den Rand der Klippen zu werfen. Dann wandte er sich zu seiner Schwester um. Es gab keinen Zweifel mehr: Eryne war eine Göttin.
»Wir kommen nicht an das Boot heran«, sagte Amanon mutlos.
Nolan spähte erneut hinunter. Die schroffen Felsen fielen tatsächlich fast senkrecht zum Wasser ab.
»Dort drüben ist ein kleiner Strand«, sagte Keb. »Vielleicht führt ein Weg hinab.«
»Aber von da aus können wir das Boot nicht erreichen«, entgegnete Amanon.
Ratloses Schweigen trat ein, während alle über die aussichtslose Lage nachgrübelten. Nur Zuia grinste siegesgewiss, obwohl Eryne sie immer noch mit der Lanze bedrohte.
»Dann müssen wir das Boot eben zum Strand ziehen«, sagte Keb.
Bevor Nolan begriff, was er meinte, ließ Keb Bündel und Säcke zu Boden fallen, legte seine Waffen ab und zog sich aus. Die anderen starrten ihn mit offenem Mund an.
»Bist du verrückt? Da unten gibt es viel zu viele Felsen«, rief Amanon. »Du springst in den sicheren Tod!«
»Ich möchte eben auch mal den Helden spielen«, bemerkte Keb trocken, während er die Stiefel abstreifte. Dann zog er ein zusammengefaltetes Stück Papier aus einem der Stiefel und überreichte es Nolan, der ihn verdattert ansah.
»Nur für den Fall, dass … Ich habe da so eine Idee, wie wir Sombre töten können«, verkündete er, als handelte es sich um eine Nichtigkeit. »Ich erkläre euch später, wie ich darauf gekommen bin.«
Er warf Zuia einen finsteren Blick zu und trat dann auf Eryne zu. Seine Augen wurden traurig, und er schien nach den richtigen Worten zu suchen. »Wenn … Also wenn … Egal. Erzähl ihm ein bisschen von mir«, bat er und wies auf ihren Bauch.
Er wandte sich ab, winkte den anderen zu, sprintete los und sprang kopfüber von der Klippe. Seine Freunde spähten über den Rand der Steilküste und bissen die Zähne zusammen, als Keb dreißig Schritte unter ihnen die Wasseroberfläche durchschlug. Dann schien eine Ewigkeit zu vergehen.
Nolan begann inbrünstig zu beten. Kebs Zettel brannte ihm in den Fingern, aber er wollte ihn nicht entfalten, solange das Schicksal des Freundes ungewiss war. Endlich
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