Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Huren!«, ergänzte Rey mit schelmisch blitzenden Augen.
Im selben Moment, in dem das Gefühl der Ohnmacht von ihnen abfiel, fand der Herzog auch sein loses Mundwerk wieder. Yan war genauso aufgeregt wie die anderen. Endlich konnten sie den Ort verlassen, an dem sie so lange gefangen gewesen waren. Vielleicht öffnete sich ihnen nun auch eine der beiden Pforten des Jal, vielleicht würden sie sich schon bald auf die Suche nach ihren Familien machen können. Über Nacht war eine Treppe in der Felswand erschienen.
Zwar war ihnen der Grund für dieses Wunder unerklärlich, aber niemandem stand der Sinn danach, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Grigän hatte bereits den Fuß auf die Treppe gesetzt, die steil nach unten führte. Die eine Hand lag auf dem Griff seines Krummschwerts, die andere reichte er Corenn, die jedoch keine Mühe hatte, ihm die Stufen hinunter zu folgen. Als Nächstes begann der kleine arkische Klan den Abstieg, angeführt von Bowbaqs Frau Ispen, deren Augen freudig glänzten. Hinter ihnen machten sich Rey und Lana auf den Weg, dann Leti, und zuletzt verließ Yan den Felsvorsprung, von dem er so oft sehnsuchtsvoll ins Tal geblickt hatte.
Falls nötig, wäre er gleich weiter in die Unterwelt hinabgestiegen, um die Pforte der Undinen zu durchschreiten. Der Kampfgeist, der in Letis Blick aufgeblitzt war, verlieh auch ihm neuen Mut. So war es schon immer gewesen.
Die Treppe schien gar nicht enden zu wollen, doch die Erben verspürten keine Müdigkeit. Die Vorfreude, in die sich auch Rachegelüste mischten, trieb sie voran. Hätten sie nicht die beiden kleinen Jungen bei sich gehabt, wären sie wohl die Stufen hinuntergesprungen. Aber die Treppe war steil und der Abgrund tief, und so hielten sie Bowbaqs Enkel lieber fest an der Hand und nahmen vorsichtig Stufe um Stufe.
Schließlich kamen sie alle wohlbehalten am Fuße der Felswand an. Zu ihrer Überraschung fanden sie dort Nol den Seltsamen vor, der unter einem Kirschbaum stand und auf sie zu warten schien. Grigän, Leti und Reyan marschierten sofort auf den Hüter des Dara zu, um ihm gehörig die Meinung zu sagen, doch der Gott hob beschwichtigend die Hand und zeigte dann in Richtung der Gärten.
»Sie kommen«, sagte er nur.
Bei den Worten des Ältesten krampfte sich Yans Herz zusammen, dabei hatte Nol ebenso sanft gesprochen wie immer. Doch was er sagte, weckte eine Hoffnung in ihm, die er schon so lange hegte, dass er sein Glück nun kaum fassen konnte.
Er hörte Stimmen, vertraute Stimmen.
Ohne nachzudenken, lief er los, doch niemand stürzte den Ankömmlingen so selig entgegen wie Lana und Leti.
Amanon spürte, wie ihn jene sanfte Seligkeit erfüllte, von der jeder Sterbliche in den Gefilden des Dara ergriffen wurde. Obwohl er wusste, dass sich der Taumel nach einer Weile legen würde, wollte er dieses Glücksgefühl nie mehr missen. Nach ihrer langen, gefahrvollen Reise hatten sie etwas Ruhe und Frieden mehr als verdient. Er sehnte sich danach, all ihre Alpträume vergessen zu können, selbst das Wissen um ihre künftige Niederlage, und sie im süßen Nichts verschwinden zu sehen. Die Zeit würde kommen, wo sie sich darüber Gedanken machen mussten – aber nicht jetzt, nicht sofort.
In seiner Hochstimmung wunderte er sich nicht einmal darüber, plötzlich den geliebten Menschen gegenüberzustehen, die sie so lange und so verzweifelt gesucht hatten. Auf beiden Seiten wurden Freudenrufe und Schluchzer laut, während sie aufeinander zueilten, um sich in die Arme zu fallen. Fast wäre Amanon ebenfalls losgerannt, doch dann blieb er ruhig stehen und kostete jeden Augenblick dieser magischen Begegnung aus. Ihm war, als hätte er endlich Frieden gefunden. Er hatte das Versprechen gehalten, das er sich selbst und seinen Gefährten gegeben hatte, allen voran Eryne. Seine Entscheidungen waren vielleicht nicht immer die besten gewesen, aber er hatte sie alle zu ihren Familien zurückgebracht.
Zwei Menschen lösten sich aus der Gruppe vor ihm und kamen auf ihn zu: Corenn, seine Mutter, deren Tagebuch ihnen auf der Reise eine unschätzbare Hilfe gewesen war, und Grigän, sein Vater, der die drei Generationen von Erben, die nun hier versammelt waren, mit dem Stolz eines Stammesoberhaupts betrachtete. Beim Anblick des alten Kriegers, dem eigentlichen Anführer ihres Klans, hatte Amanon das Gefühl, getan zu haben, was zu tun gewesen war. Nun konnte er seinem Vater das Zepter übergeben oder zumindest auf seine Erfahrung vertrauen.
Doch als er
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