Die Krieger 4 - Das Geheimnis der Pforte
Zeit im Kam mit Saat verbunden hatte, war zerstört. Ich hatte meine Entwicklung vollendet. Plötzlich wusste ich, dass ich Sombre der Bezwinger war – und dass ich für alle Zeiten allein bleiben würde.
Ich versagte dem Hexer, der sich im Todeskampf wand, die Lebenskraft, die er stets aus mir geschöpft hatte. Dann zog ich mich von der Welt zurück. Ich verkroch mich in mein Mausoleum und verschloss meine Ohren vor den Schlachtrufen der Menschen und ihrem verzweifelten Flehen.
Als ich mein Versteck wieder verließ, waren mehrere Monde verstrichen. Die Ebene vor dem Gebirge, wo sich zuvor Tausende Menschen getummelt hatten, war öd und leer, nicht anders als mein Geist nach dem Verrat des Hexers.
Schließlich fand ich Saats Leiche. Der Hexer saß immer noch auf seinem Thron, den Mund zu einem stummen Klageschrei aufgerissen. Kein Sterblicher hatte es gewagt, ihn anzurühren. Selbst die Würmer hatten den ausgetrockneten, verschrumpelten Körper verschmäht, der nun endlich von der Zeit eingeholt worden war. Dort, wo einst das Herz geschlagen hatte, klaffte eine Wunde. Doch das Schwert, mit dem man ihn offenbar getötet hatte, war nicht mehr da. Ebenso wenig wie die Gefangenen, deren Nachkommen mir zum Verhängnis werden konnten.
Mit dem Fuß stieß ich den Kadaver meines Schöpfers zu Boden. Dabei schienen sich seine Kiefer zu dem höhnischen Grinsen zu verziehen, das ich so gut kannte. Da ließ ich meiner Wut freien Lauf und zerfetzte Knochen und Haut, bis nicht mehr zu erkennen war, dass sie von einem Menschen stammten.
Nach langem Nachdenken betrat ich den Tunnel, den unsere Sklaven gegraben hatten. Er führte an den Höhlen vorbei, durch die Saat und ich in die Welt der Sterblichen vorgedrungen waren. Schon nach wenigen Schritten unter der Erde nahm ich den Geruch des Gwels wahr, der alte Erinnerungen wachrief. Irgendwo in diesem verwinkelten Labyrinth befand sich der Zugang zum Kam, und ich hatte alle Zeit der Welt, ihn aufzuspüren.
Doch ich musste nicht lange suchen. Es war, als hätte ich den Weg nie vergessen.
Viele Jahreszeiten vergingen, während ich ruhelos an der Grenze zur Unterwelt umherstreifte, in der ich herangewachsen war. Mit jedem Tag vergrub ich mich tiefer in meinem Groll, bis ich den niederen Kreaturen ähnelte, die in der Dunkelheit hausten. Schließlich musste ich einsehen, dass mir die Nähe zum schwarzen Gwel mehr schadete als nutzte. Das Kam war kein Ort mehr für mich. So führten mich meine Schritte allmählich von dort weg, als gehorchten sie einem eigenen Willen. Ich wandte mich gen Westen, der Heimat jener Menschen zu, die Saats Streitmacht besiegt hatten.
Nach einem endlosen Marsch durch die Finsternis fand ich mich eines Tages in den Katakomben der Heiligen Stadt Ith wieder.
Ich beschloss, mich wieder unter die Sterblichen zu begeben.
Che’b’ree betrachtete den Gegenstand mit einer Mischung aus Angst, Ehrfurcht und Wehmut. Schon hundertmal war sie versucht gewesen, ihn ans andere Ende der Welt bringen oder in einen Vulkan werfen zu lassen, doch sie hatte sich nie dazu durchringen können, ihn zu zerstören, denn neben ihrem Anhänger war er ihr kostbarster Besitz.
Und zugleich ihr gefährlichster.
Sollte Sombre jemals von seiner Existenz erfahren, wäre das ihr sicherer Tod. Es war leichtsinnig, ihn zu behalten, aber wenn sie ihn fortschaffen ließ, gab sie ihren einzigen Trumpf aus der Hand. Jahrelang hatte sie diese Entscheidung vor sich hergeschoben – bis sich Ke’b’ree den Erben angeschlossen hatte. Seither war der Gegenstand ihre einzige Hoffnung, ihren Sohn jemals wiederzusehen. Seit jenem Tag hatte sie sich nie weiter als wenige Meilen von ihm entfernt.
Am liebsten hätte sie ihn ständig bei sich getragen, aber das wäre ihren Gefolgsleuten natürlich nicht entgangen. Ebenso gut hätte sie dem Dämon höchstpersönlich verraten können, dass sie etwas vor ihm verbarg. So hatte sie den Gegenstand nur aus ihrer geheimen Schatzkammer geholt und ihn in ihrem Privatgemach versteckt. In ihrer Reichweite. Für alle Fälle.
Jeden Morgen und Abend und manchmal auch tagsüber, so wie jetzt, holte sie den Gegenstand hervor und strich über den blanken Stahl, während sie über die Zukunft nachsann – und die Vergangenheit. Es hätte sie ein noch viel schlimmeres Schicksal treffen können. Vielleicht sollte sie ganz einfach froh sein, überlebt zu haben. Andererseits hatte sie schon seit langem das Gefühl, innerlich tot zu sein. Seit sie das Lager mit
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