Die Krieger 5 - Das Labyrinth der Götter
seiner Kindheit, als er zu ihnen ins Bett gekrochen war, wenn er schlecht geträumt hatte. Wie damals, als er gerade zur Welt gekommen war.
Wie damals, als Sombre meinen Geist folterte und meine Eltern versuchten, ihren brüllenden Säugling irgendwie zu beruhigen.
Bei diesem Gedanken verlor Cael die Fassung. Er spürte ein Schluchzen in sich aufsteigen, dann liefen ihm stumme Tränen übers Gesicht und benetzten das Hemd seiner Mutter, die ihn noch fester an sich drückte. Er wünschte, die Umarmung würde niemals enden. In den letzten Tagen war er viel häufiger Sombres grausames Geschöpf als ein gewöhnlicher Junge gewesen. Beinahe wäre er sogar für immer im Kam zurückgeblieben, wenn Niss ihn nicht mit einem Kuss befreit hätte. Diese Erinnerung trieb ihm noch mehr Tränen in die Augen, und mit wachsendem Entsetzen dachte er an all die Gräueltaten zurück, zu denen seine Stimme ihn getrieben hatte, bis er schließlich sogar auf seine eigenen Freunde losgegangen war. Er weinte und weinte, während er sich an die beiden Menschen klammerte, die er über alles in der Welt liebte und die nicht ahnen konnten, dass er in Wahrheit ein Ungeheuer war.
Als seine Tränen endlich versiegten, fühlte er sich besser. Die Schwäche, die er gerade gezeigt hatte, war ein Sieg über die Unmenschlichkeit seines inneren Dämons. Er halte seine Lage erkannt und seinen Schmerz zugelassen, und so war er der Stimme ein Stück entkommen. Die Magie des Dara hatte sicher das Ihre dazu getan. Cael war nun wieder wild entschlossen, gegen das Böse in seinem Innern anzukämpfen, und sei es nur aus Liebe zu seinen Eltern, die sein Leiden hilflos mit ansehen mussten.
Sanft löste er sich aus ihrer Umarmung, und alle drei setzten sich mit verlegenem Lächeln auf. Cael wusste, dass sie ihm keine Fragen stellen oder zumindest nicht weiter in ihn dringen würden. Also nahm er all seinen Mut zusammen und brachte das Thema selbst zur Sprache.
»Ich weiß, von wem meine innere Stimme stammt«, sagte er und hob eine Hand an die Stirn.
Yan und Leti wurden schlagartig ernst und hörten ihm sorgenvoll zu, während er von seinen Anfällen und den immer heftigeren Gewaltausbrüchen erzählte. Er ging nicht weiter auf die Umstände dieser Vorfälle ein, da er vermutete, dass sich die Erben bald zu einem ausführlichen Gespräch versammeln und einander von ihren Erlebnissen berichten würden. Vorerst verspürte er vor allem den Drang, seinen Eltern die Untaten seines zweiten Ichs zu beichten, den blinden Hass, der ihn dabei packte, seine Gier nach Unterwerfung und Macht.
»Sombre wollte meinen Geist nach seinem Abbild formen«, sagte er zuletzt mit zittriger Stimme. »Ihm blieb nur nicht genug Zeit, mein wahres Ich endgültig auszulöschen. Seither kämpfe ich gegen seinen Einfluss an … Aber das wird immer schwieriger.«
Er hatte noch viel mehr auf dem Herzen, doch die teilnahmsvollen Blicke seiner Eltern ließen ihn verstummen. Wie würden sie die Nachricht aufnehmen, dass sich ihr einziger Sohn irgendwann vollends in einen Dämon verwandeln würde? Nach einem Moment des Schweigens, der ihm unerträglich lang vorkam, sah er zu seiner Überraschung ein Lächeln auf dem Gesicht seiner Mutter aufblitzen.
»Bei Eurydis, wie erwachsen du geworden bist!«, rief sie beinahe entzückt. »Ich sehe immer noch meinen kleinen Liebling in dir, aber du denkst und sprichst wie ein Erwachsener.«
»Er klingt schon fast wie Tante Corenn«, stimmte Yan belustigt zu. »Da werden wohl viele Diskussionen auf uns zukommen.«
»Aber … Habt ihr nicht verstanden, was das bedeutet? Es steht schlimm um mich! Ich habe Niss, Eryne und Amanon angegriffen und wollte sie töten! Beim nächsten Mal könnte ich sogar über euch herfallen!«
In die Gesichter seiner Eltern trat ein harter, entschlossener Ausdruck, und er bereute seine Worte sofort. Plötzlich fiel ihm ein, was sie im Laufe ihrer Reise alles über die ältere Generation der Erben erfahren hatten. Vor rund zwanzig Jahren hatten seine Eltern unzählige Gefahren überstanden. Yan war sogar vor Sombre getreten, allein und unbewaffnet. So tapfer würde er selbst niemals sein. Und Leti hatte Saat, dem mächtigsten und grausamsten aller Sterblichen, den Todesstoß versetzt. Damals waren die beiden kaum älter gewesen als er jetzt. Und sie hatten das Unmögliche geschafft.
»So weit wird es nicht kommen«, erklärte seine Mutter mit Nachdruck. »Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand dir etwas antut. Wir werden
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