Die Krieger der Königin: Falkenherz
sich auch nicht genauer danach erkundigen. Er wusste nicht, wohin die ehemalige Herrin des Hauses verschwunden war, aber sie hatte auf jeden Fall keinen Einspruch gegen Eaphas Gegenwart erhoben.
Er fand die neue Königin in einer Galerie mit riesigen Fenstern, durch die viel Licht in den Raum fiel und die den Blick auf einen Garten freigaben, der in der Wüste ohne Sylphen niemals existiert hätte. Kunstwerke bedeckten die Wände vom Boden bis zur Decke und zeigten Bilder einer Lebensweise, die jetzt vollkommen vernichtet worden war. Es war an dieser Frau, zu entscheiden, welche Gesellschaft jetzt folgen sollte.
Eapha war von ihren Freundinnen umgeben, den zehn Frauen, die Teil des geheimen Kreises im Harem gewesen waren. Sie alle trugen teure, aber dünne Stoffe am Körper und saßen auf Kissen, die sie trotz der herumstehenden Möbel auf den Boden gelegt hatten. Sie kicherten. Leon beobachtete sie und schüttelte den Kopf. Diese Frauen genossen ein geselliges Treffen und planten nicht die Zukunft eines Königreiches. Im Hintergrund stand ein Krieger, aber Leon ignorierte ihn.
Als Eapha ihn sah, stand sie auf und kam zu ihm, obwohl die Frauen ihr nachriefen, sie solle bleiben. Trotzdem schaffte sie es, sich von ihnen zu lösen, und ging mit Leon zu dem ruhigeren Ende der Galerie. Der Krieger folgte ihnen in einem gewissen Abstand, und seine Abneigung gegen die Anwesenheit eines Mannes in der Nähe der Königin war deutlich spürbar.
»Wie geht es dir?«, fragte Leon.
Eapha zuckte beiläufig mit den Schultern. Dann biss sie sich auf die Unterlippe und verriet damit ihre Nervosität. Leon nahm es ihr nicht übel.
»Es geht«, gab sie zu. »Ich versuche immer noch, das alles zu verstehen. Es ist so … überwältigend.«
»Das ist es«, stimmte er zu. »Und es wird noch schlimmer. Du hast eine Menge zu tun.«
Sie warf ihm einen verzweifelten Blick zu und verschränkte die Hände vor dem Körper. Die anderen Frauen riefen nach ihr und forderten sie auf, mit ihnen Karten zu spielen. Eapha warf ihnen einen sehnsüchtigen Blick zu, dann fing Leon an zu reden.
Ein letztes Mal sagte er ihr, was ein Anführer tun musste – worauf sie achten musste, was sie zu erwarten hatte, dass sie nicht alles erwarten konnte, und wie sie mit Unsicherheit umgehen musste. Er erklärte ihr wirtschaftliche Zusammenhänge, Politik und die Bedeutung guter Ratgeber. Er erzählte ihr von den Schwächen der Menschen und der Sylphen. Und er wies auch auf ihre Stärken hin. Sie starrte ihn die ganze Zeit an und lauschte, während die Sonne über ihnen hinwegzog. Der Raum wurde nie zu warm, weil Luftsylphen, die ihre Arbeit nicht aufgegeben hatten, obwohl sie nun frei waren, ihn kühlten.
Leon mutete Eapha eine Menge zu, mehr, als er Solie in einem Jahr zugemutet hatte, als sie anfing zu lernen, aber er hatte keine andere Wahl. Eapha hatte ihre kühnsten Träume übertroffen. Um ihres Landes willen wünschte er ihr, sie möge den Erwartungen gerecht werden.
Das Luftschiff, das sie nach Hause bringen würde, ein Windschoner namens
Morgenröte,
war zwei Tage später bereit zur Abfahrt. Sie hatten lange darauf gewartet, aber die Reise zurück verlief um einiges schneller als die Hinreise – und sie waren alle mehr als bereit zum Aufbruch. Auch wenn sie hätten bleiben wollen, die Anspannung unter den Kriegern von Meridal machte es unmöglich. Einen fremden Krieger innerhalb des Stockes zu haben, das war zu belastend für die Instinkte der Krieger, egal, wie sehr sie ihrer Königin vertrauten. Sowohl Eaphas Stock als auch Ril selbst spürten den Druck.
Leon bereute, nicht mehr Zeit zu haben. Er hätte Monate bleiben können, um Eapha dabei zu helfen, die Anfänge zu bewältigen, und sie so auszubilden, wie er es bei Solie getan hatte. Aber er konnte seine Familie nicht allein abreisen lassen. Nicht nach allem, was er durchgestanden hatte, um sie zurückzubekommen. Außerdem hatte er Betha versprochen, dass sie alle gemeinsam zurückkehren würden. Was er Eapha noch nicht erklärt hatte, würde sie allein herausfinden müssen. Und er war sich sicher, dass sie alle Anfängerfehler überstehen konnten, da fünftausend Sylphen die Arbeit erledigten und siebenhundert Krieger alles bewachten.
»Ich habe mir nie vorgestellt, dass so etwas passieren könnte«, gestand die Ex-Konkubine Lizzy, als sie zusammen auf dem Dach eines der höchsten Gebäude in der Stadt standen. Dort war das Luftschiff verankert, das von einer der ältesten und
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