Die Krieger der Königin
hatte frei, also bewachte Leon Solie. Der ehemalige Gefangene lehnte an der Wand neben der Tür, schärfte sein Schwert und warf ihr hin und wieder einen Blick zu. Es war fast amüsant, zu sehen, dass sein Eid dazu führte, dass die Krieger ihm zutrauten, ihre Arbeit zu erledigen. Aber sie konnten auch lesen, was in seinem Herzen geschrieben stand. Er würde nicht zulassen, dass ihr etwas geschah.
»Weißt du«, meinte er und testete die Schärfe seiner Klinge an seinem Daumen, »du musst nicht hier mit mir herumsitzen. Ich mag den meisten Leuten hier nicht willkommen sein, aber ich werde kaum an Einsamkeit sterben.«
Sie runzelte die Stirn, legte den Kamm weg und schob ihr langes Haar über die Schulter zurück. »Ich glaube aber, ich schon«, antwortete sie leise.
Leon zog eine Augenbraue hoch und legte seinen Wetzstein auf den Boden. »Du bist einsam? Aber du hast immer mindestens einen von uns bei dir.«
Sie zuckte mit den Schultern, weil sie sich nicht sicher war, wie sie es ausdrücken sollte. »Ja, aber, na ja, ihr seid alle Männer. Ich habe mit keiner Frau geredet, seit, ähm …«
»Seit sie versucht haben, mich aufzuhängen?«, bot er an. Leon dachte nicht allzu viel über die Vergangenheit nach. Es war zwei Tage her, und die Männer und Frauen der Gemeinschaft warfen ihm immer noch misstrauische Blicke zu, aber niemand konnte ignorieren, dass die Sylphen, inklusive der Krieger, ihn akzeptierten. Dank der Nahrung, die sie brachten, und dem Schutz, den sie boten, waren Mace und Ril inzwischen beliebt, und Hedu war der Favorit. Leon hatte noch nicht den gleichen Status erworben, aber zumindest versuchte niemand, ihm ein Messer in den Rücken zu rammen. Vertrauen musste man sich verdienen, und Leon erwartete es nicht sofort. Irgendwann würde er sich beweisen.
Trotzdem hatte sein Überleben Solies Ruf nicht verbessert. Das Mädchen sackte in sich zusammen. »Ja. Alle hassen mich oder haben Angst vor mir. Ich kann es nicht ertragen.«
Er konnte es ihr nicht übelnehmen. »Es ist erst zwei Tage her«, sagte er. »Alle mussten eine Menge verarbeiten, und deine Stellung hat sich ziemlich drastisch verändert.«
»Aber ich will nicht, dass sie sich verändert.«
Leon schüttelte den Kopf. »Das spielt keine Rolle.« Sie durfte nicht weinerlich oder ängstlich sein. Ob es ihr gefiel oder nicht, sie hatte eine Machtposition inne, und wenn sie die nicht ausfüllte, würde jemand anders sowohl die Macht als auch sie benutzen – und auch ihre Krieger. »Du musst deiner Verantwortung gerecht werden. Sobald du das tust, wirst du feststellen, dass du wieder Freunde haben kannst. Sie werden nicht so sein wie die Sandkastenfreunde, die du bis jetzt hattest, aber trotzdem werden sie Freunde sein.« Und mit der Empathie der Krieger würde sie immer wissen, ob Freundschaften echt waren. Nur wenige Herrscher hatten diesen Vorteil.
»Aber ich weiß nicht, wie ich meiner Stellung gerecht werden soll«, widersprach sie. »Ich wurde auf einem Bauernhof in einem winzigen Weiler geboren. Der Ort war nicht mal groß genug, um Dorf genannt zu werden! Mein Vater wollte mich an einen Mann verheiraten, der dreimal so alt war wie ich. Das war das Einzige, was jemals jemand für mich angestrebt hat.«
»Und? Ich bin der Sohn eines Fuhrmanns. Du bestehst nicht nur aus deiner Herkunft. Du bist das, wofür du dich in deinem Leben entscheidest.«
Sie schwieg einen Moment und starrte ihn an. »Wirst du es mir beibringen?«, fragte sie schließlich.
Leon unterdrückte ein Lächeln. Das Mädchen war jung, aber sie war nicht dumm. Sie wusste, dass sie Ratgeber brauchte, um die Dinge zu lernen, die nötig waren. »Natürlich. Bitte auch Devon um Hilfe. Es gibt wahrscheinlich einiges, was du von ihm lernen kannst. Aber es ist deine Entscheidung, ob du tust, was wir dir sagen.«
Sie seufzte und nickte unglücklich.
»Gut.« Leon richtete sich auf und steckte sein Schwert in die Scheide. »Dann ist es Zeit, anzufangen.«
Leons erste Lektion beinhaltete, dass sie sich mit dem halben Dutzend Männern zusammensetzte, die immer noch versuchten, die Gemeinschaft anzuführen. Sie trafen sich immer noch in einem der letzten oberirdischen Zelte, das schon halb im Schnee vergraben war und an dessen Stoff der Wind zerrte. Im Zelt wäre es bitterkalt gewesen, hätte es nicht Morgals Feuersylphe gegeben. Ash hielt das Zelt warm, aber das sorgte dafür, dass auch der Schnee um das Zelt herum schmolz. Solie musste sich durch Schlamm kämpfen,
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