Die Kristallwelt der Robina Crux
noch einmal meinte sie, alles sei ein Traum. Es müßten jetzt, da sie erwachte, die grünen Wipfel über ihr rascheln… Ein schwarzer Himmel drohte herab, kalt und bösartig blitzten die Sterne, und die funkelnden Kristalle kamen ihr mehr denn je tödlich eisig vor.
Niedergeschlagen kontrollierte Robina den Speicher der Funkanlage. Außer ihrem letzten, zaghaft fragenden „Frank?“ war da nichts, doch – und sie wurde nun sehr aufmerksam – jenes Knattern im allgemeinen Rauschen!
Warum habe ich es gestern so wenig beachtet. Gestern… Sie schaltete auf Empfang und höchste Intensität.
Da war es, schmerzhaft laut, auf- und abschwellend, unregelmäßig wie – wie Regenschauer im Wind.
Strahlung!
Aber nicht die Strahlung schlechthin und die damit verbundene Gefahr erschreckten Robina, sondern der Gedanke an den Ursprung. Woher auf einmal kommt diese Strahlung! Wir haben weit und breit über Millionen Kilometer nichts festgestellt, das strahlt, das so strahlt! Bangen Gefühls machte sich Robina daran, mit dem transportablen Zählregistrator die Strahlung zu bestimmen, nachdem sie sich überzeugt hatte, daß das Gerät noch funktionierte. Sie besaß keine Routine im Umgang mit dem Zähler, überlegte die Handgriffe gründlich, gab sich laut die Weisungen, und dann bestand kein Zweifel: Alpha- und Betateilchen sowie freie Protonen, Kernstrahlung also, ungefährlich für den durch den Raumanzug geschützten Körper.
Robina kniete vor dem Gerät, bewegungslos. Es gehörte zum ABC ihrer Ausbildung, daß bei der Fusion von Antimaterie mit Materie bei Materieüberschuß Alpha- und Betastrahlung und freie Protonen auftreten…
Sie brach die Messung ab. Sie wollte nicht noch feststellen, in welcher Intensität die Teilchenströme anlagen, wollte auch das Richtungsmaximum nicht ergründen. Nur zur Uhr sah sie und rechnete. Jetzt wäre die REAKTOM, wenn sie noch existierte, gerade aufgegangen. Bevor sie die Geräte, den Zähler und die Funkapparatur abgeschaltet hatte, war ihr, als hätte das Knattern zugenommen…
Obwohl Kosmodynamik nicht Robinas Stärke gewesen war, weder auf der EVO noch im Institut, hätte sie sich eine überschlägliche Berechnung zugetraut. Die Masse der Antihelium-Treibstoffreserven kannte sie, sie kannte etwa die Maße der Reaktoren des Schiffes, seine Masse insgesamt. Sie wußte, in welcher Entfernung die REAKTOM gestanden hatte, und wußte auch von den Gesetzmäßigkeiten, die die radiale Ausbreitung einer Strahlung bestimmen…
Flüchtig dachte Robina das. Sie wollte nicht diese Gewißheit…
Aber sie konnte den Gedanken nicht verdrängen, sosehr sie sich auch bemühte: Das Raumschiff, die schmucke, moderne REAKTOM, Frank, Mandy, Stef, brachten keine Hilfe mehr…
Wie in Trance, keines weiteren Denkens fähig, ging Robina zurück zum Wrack. Lange stand sie vor dem Stapel der Vorräte. Dann nahm sie unbewußt zwei Sauerstoffbehälter auf und schritt schleppend langsam, dann immer schneller – wie traumwandlerisch – in die Ebene hinaus.
Schon als Robina, erwacht aus ihrer Lethargie, glaubte, sich endgültig verirrt zu haben, tauchte linker Hand der violette Oktaeder auf, von dem sich einige Meter entfernt der Eingang befand.
Sie war mechanisch gelaufen, hatte den Weg zum Stützpunkt eingeschlagen. Er war höchstens zehn Kilometer vom Unfallort entfernt, also in einer Stunde zu erreichen bei den Sätzen, die sie trotz des fehlenden Elans ausführen konnte.
Allein mit den Sätzen, stellte sie binnen kurzem fest, hatte es so seine Eigenheiten. Je weiter sie wurden, desto mehr Anstrengung bedurfte es, mit der Last sicher aufzusetzen und den nächsten Schritt kontrolliert zu tun. Ja, als sie zum erstenmal nach dem langen Flug den Boliden betraten, da machte das Tollen bei der geringen Schwere einen riesigen Spaß, den sie zu dritt – zum Leidwesen von Stef, der im Schiff bleiben mußte und „gelb war vor Neid“, wie er berichtete – weidlich auskosteten. Aber hier, jetzt? Große Sätze waren ein immerwährender, sehr kräftezehrender Balanceakt, und Robina reduzierte das Schrittmaß erheblich, so daß sie nicht schneller vorankam als bei Erdenschwere.
Oftmals versuchte sie sich – meist vergeblich – während des Marsches auf den Weg zu konzentrieren, zwang sich, neue Formen aufzunehmen, neue Farbenspiele zu erfassen, und sie beschwor sich, an einen Fehler in ihren Kombinationen, an einen Irrtum der Geräte zu glauben. Sie steigerte sich in eine Stimmung, aus der heraus sie
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