Die Kugel und das Opium
in ihr Höschen, und als ich die sensible Zone erreichte, war sie zu meiner Überraschung schon feucht. Ich war auf einmal ganz hin und weg, und mein Puls raste, und ich heulte wie ein Schlosshund – und auch Xiao Xiao fühlte sich im Grunde nicht besser, ihr Leib war längst voller Frühlingsgefühle, aber sie unterdrückte es, kämpfte dagegen an, der Kalte Krieg zwischen uns beiden war längst dünn wie ein Blatt Papier! Also habe ich die Decke voller Zuversicht zurückgeschlagen …
LIAO YIWU:
Das kennen wir alle, also bitte keine Details.
LI QI:
Das macht dich an, was? Wie bei einem Porno? Aber die nächste Szene ist, dass Xiao Xiao, mit der ich so lange Bett und Kissen geteilt habe, die Frau, mit der ich ein Kind großgezogen hatte, auf einmal ein Bein anzog und gegen meinen geschwollenen Unterleib stellte: »Ich will nicht mit dir Liebe machen, auch wenn mein Körper Gefühle hat, will ich das nicht.«
Verlegen und aufgebracht schrie ich: »Du bist patschnass!«
Xiao Xiao sagte: »Auch wenn das so sein sollte, ich wiederhole, ich will nicht. Runter von mir!« Am Ende habe ich herumgebrüllt. Wir schlugen aufeinander ein und rollten vom Bett, ich habe ihr den Slip vom Leib gerissen und dann …
LIAO YIWU:
Es reicht!
LI QI:
Ja, es reicht. Hinterher war nichts mehr zu sagen. Dann haben wir zwei Monate getrennt gelebt und sind übereingekommen, uns scheiden zu lassen. Was wir besaßen und den Jungen, hat sie bekommen, und ich zahle monatlich Alimente. Und so bin ich wieder so etwas wie ein Hagestolz und treibe mich in der Gegend herum, kein Hahn kräht danach.
LIAO YIWU:
Liebst du sie immer noch?
LI QI:
Jedes Gefühl hat eine Grenze, wenn man diese Grenze überschritten hat, ist die Welt eine andere.
LIAO YIWU:
Du bist ein anderer.
LI QI:
Fressen, saufen, herumhuren, spielen, kleinere Betrügereien, keine der Kampfsportarten, in denen ich mich nicht auskenne. Für einen Buchladen habe ich ein Jahr lang geschrieben, bis ich zwanzigtausend zusammen hatte, dann habe ich es selbst mit einem Buchladen versucht. Mein Kapital war im Nu weg. Da habe ich mir Geld geliehen, selbst meiner Mutter habe ich die Rente abgegaunert; als sie es kapierte, ist sie mir hinterher, hat einen halben Tag auf den großen Straßen nach mir gesucht und Himmel und Hölle angerufen, ein Glück, dass sie nicht unters Auto gekommen ist.
Das erste Buch, mit dem ich Geld verdient habe, war aus Goa in Indien, das hat siebzig-, achtzigtausend gebracht, die Scheine kamen nur so angeflattert, ich bin fast darin ertrunken! Der bekannte alte Dichter XXX hat mir geholfen, eine ISBN für das Buch zu bekommen. Er war mein Mentor, er hat seit den fünfziger Jahren ein paar Dutzend Gedichtbände herausgebracht, deshalb fühlt er sich in der Verlagswelt wie ein Fisch im Wasser. Damals haben wir uns telefonisch verabredet. Nach dem Abendessen sind wir zu ihm, um alles zu besprechen. Zu meiner Überraschung standen da, als wir hereinkamen, unter dunklen Rauchschwaden zwei Mahjongg-Tische. XXX hob den Kopf und sagte ganz nebenbei und ohne mit der Wimper zu zucken: »Auch schon da?!« Dann rieb er weiter seine Steine. Ich stand dabei, goss Tee und Wasser nach und setzte ein Lachen auf; so ging das bis in den frühen Morgen, im Osten wurde es schon hell.
Er reckte sich, verabschiedete seine Mitspieler einen nach dem anderen. Ich blieb alleine im Zimmer, wusste nicht, ob ich gehen oder bleiben sollte. Also riss ich mich zusammen, hielt meinen Mentor, der ins Bett wollte, fest und sagte: »Butter bei die Fische!«
XXX war genervt: »Ein andermal, ruf mich heute Mittag an!«
Also bin ich nach Hause gegangen, mir tat jeder einzelne Knochen weh, und ich habe diesen XXX und seine Familie bis ins achtzehnte Glied verflucht. Doch wider Erwarten bekam ich meine ISBN problemlos. Eine kleine Ungeduld kann große Pläne durcheinanderbringen.
LIAO YIWU:
Jetzt, wo du genug Geld hast, hast du da vor, deine Erinnerungen aufzuschreiben?
LI QI:
Ich habe das Gefühl, dass ich mich von diesen Dingen immer weiter entferne, wie ein Kind, dem sein Lieblingsspielzeug ins Wasser gefallen ist. Es ist davongetrieben worden, man kann es nicht zurückholen, aber das Kind steht noch immer am Ufer oder rennt am Ufer entlang und sucht. Natürlich werde ich nicht wie ein Kind beim Wort heulen schon heulen, aber der Schmerz in meiner Seele, dieser unbegreifliche, allgegenwärtige Schmerz, den die Angst mit sich bringt, das ist immer noch der Knast und die Scheidung.
Weitere Kostenlose Bücher