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Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
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kann man keinen Stahl aufhalten. Sehr viele Bürger standen da und schauten, allmählich kochten die Emotionen hoch, ich weiß nicht, wie viele schrien, als die Menschen dann in die Straßenmitte strömten. Viele von ihnen schimpften und fluchten, ich stellte mein Rad ab und mahnte sie, nicht zu schimpfen, denn die Soldaten könnten nichts dafür, die würden das auch nicht gerne tun, aber sie hätten auch nicht den Mut, sich ihren Befehlen zu widersetzen.
    LIAO YIWU:
    Kennen Sie Wang Weilin, der sich den Panzern in den Weg gestellt hat?
    DONG SHENGKUN:
    So mutig bin ich nicht, aber ich konnte sie auch nicht einfach zum Tiananmen weiterfahren und dort unschuldige Menschen umbringen lassen. Also habe ich all meinen Mut zusammengenommen und mich mit den anderen dem Konvoi in den Weg gestellt. Ich habe mich sogar einem Lkw genähert, um dem den Schneid abzukaufen. Im Fahrerhaus saß ein kultivierter Major von der Infanterie, ich rief ihm laut zu: lass sie nicht die Gewehre auf das Volk richten, eure Enkel werden vor euch ausspucken! Da hat er in einer Tour geseufzt und dauernd abgewinkt. Damit wollte er sagen, ich bin nicht blöde, wir wissen besser Bescheid als jeder andere. Wenn man genau hinsah, hatten eine ganze Menge von den Soldaten rotgeränderte Augen, als hätten sie geweint.
    Ich setzte alles auf eine Karte und schrie noch lauter. Mein Mund hat noch nie so gut funktioniert. Ich sagte, ich war auch Soldat, wir alle sind Kameraden aus irgendeinem Schützengraben. Ihr gehorcht euren Befehlen und schießt einfach drauflos, vielleicht hast du noch nicht geschossen, es hat sich nur ein Schuss gelöst, aber vielleicht ist es dein Bruder oder deine Schwester, die dann tot oder verwundet vor dir liegt. Als die Nation in Gefahr war, sind sie aufgestanden, aber nicht für sich selbst. Sondern für euch, ich habe Angst um euch, dass ihr als Verbrecher in die Geschichte eingeht. Kehrt um oder legt die Waffen nieder und haut ab, wartet nicht, bis ihr die Schmähungen nicht mehr ertragt und schießt. Die Leute beschimpfen euch, aber nur, weil sie aufgebracht sind, aber warum sind sie so aufgebracht? Sie haben euch nichts getan, sie sind nicht eure Feinde, warum stellen sie sich euch entgegen? Weil sie Li Peng nicht finden können, weil sie den Hauptschuldigen nicht finden können. Ein, zwei Sätze, und ihr fangt an zu schießen, aber das ist Mord! Das Leben der einfachen Leute, das hängt an dem Zeigefinger, den ihr am Abzug habt! Ist unter diesem Himmel nicht Platz für alle Chinesen?
    LIAO YIWU:
    Nicht schlecht, nicht schlecht.
    DONG SHENGKUN:
    Deshalb war der Offizier auch sichtlich bewegt, machte eine Neuausrichtung und hat die Soldaten mit denen draußen ausgetauscht. Ich vermute, die Truppen des Ausnahmezustands hatten nicht in jedem Gewehr Patronen. Anfangs standen die Soldaten, die mit scharfen Waffen ausgerüstet waren, im Kreis um den Wagen herum, in ständiger Alarmbereitschaft, bei der geringsten Ungewöhnlichkeit auf der Straße würden sie aus dem Angriff die beste Verteidigung machen. Doch aufgrund meiner Mahnung standen nun die Soldaten ohne scharfe Munition draußen.
    Anschließend habe ich mich umgedreht und die schimpfende und fluchende Menge um uns herum ermahnt, vernünftig zu sein! Und sich zu beherrschen! Ein spontaner Impuls werde den Konflikt nur verschärfen! Die Soldaten hätten ebenfalls keine Wahl, es sei die Pflicht von Soldaten, ihren Befehlen zu gehorchen, auch wenn der Befehl von einem Scheißkerl komme, müssten sie dem Folge leisten. Ihr schimpft, aber könnt ihr garantieren, dass sie nicht auch einem spontanen Impuls folgen und losknallen und alle verletzen? Ist das nötig?
    LIAO YIWU:
    Sie waren so vernünftig und moderat, das bringt man kaum mit dem Anzünden eines Militärwagens zusammen.
    DONG SHENGKUN:
    Ich bin erst mit dem Fahrrad da weg, als sich die beiden Seiten, die sich feindlich gegenüberstanden, entspannt hatten. Kaum war ich bei meinen Eltern zur Tür hereingekommen, als die beiden alten Herrschaften auch schon laut zu lamentieren anfingen. Sie haben sich Sorgen um mich gemacht. Als sie mich so von oben bis unten voller Blut sah, war meine Mutter außer sich: Mein Gott, wo bist du denn verwundet? Ich sagte, gar nicht, das ist nicht mein Blut, aber ich wunderte mich auch, wo das Blut eigentlich herkam. In dieser Nacht hat nicht nur bei uns, vermutlich hat in ganz Beijing keiner ein Auge zugemacht.
    Am 4 . Juni haben meine Mutter und mein Vater abwechselnd Wache geschoben,

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