Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kugel und das Opium

Die Kugel und das Opium

Titel: Die Kugel und das Opium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liao Yiwu
Vom Netzwerk:
warst, musst du es nicht auf dich nehmen. Es dauerte eine Weile, bis ich reagierte, ihr Terror hatte das Ziel, mich dazu zu bringen, andere zu verraten, denn in Beijing haben so viele Autos gebrannt, da war es nicht leicht, die in die Tausende gehenden Brandstifter alle zu fassen.
    LIAO YIWU:
    Hatten Sie Mittäter?
    DONG SHENGKUN:
    Gar nicht! Auch wenn sie mich umgebracht hätten, ich hätte nichts gestehen können. Also habe ich immer wieder beteuert, dass ich selbst den Wagen und den Lappen an dem Feuer auf dem Boden angezündet hätte. Aber er hätte nicht Feuer gefangen. Dass er angefangen habe zu brennen, als ich weg war, und dann ausgebrannt sei, hätte ich wirklich nicht gewusst. Ich hätte vorgehabt, einen Militärwagen anzuzünden, damals sei die Menge sehr aufgebracht gewesen, chaotische Bürger hätten die Straßen komplett abgeriegelt, womöglich habe jeder, der da war, daran gedacht, die Militärwagen in Brand zu setzen.
    LIAO YIWU:
    Hatten die Polizisten vielleicht gute Absichten? Wenn Sie Komplizen eingeräumt hätten, hätte sich die Schuld auf mehrere verteilt.
    DONG SHENGKUN:
    Dann hätte die Anklage auf konterrevolutionäre Cliquenbildung gelautet, wie viele Köpfe hätte das erst gekostet. Der Fall von Wang Lianxi, da haben sie auf einen Rutsch sieben Mann erschossen, erst als sie feststellten, dass Wang Lianxi geisteskrank war, haben sie die Strafe umgewandelt in Todesstrafe auf Bewährung. Ich war ein Einzelfall, ich hatte zwei Poliertücher angezündet und bekam auch Todesstrafe auf Bewährung. Aber damals haben alle der Reihe nach mit der Zunge geschnalzt, ich hätte aber Glück gehabt.
    LIAO YIWU:
    Und weiter?
    DONG SHENGKUN:
    Eine neue Verhörrunde, ich konnte meinem Feind nicht aus dem Weg gehen und traf auf einen Stabsoffizier der Truppen des Ausnahmezustands. Ausweichen war unmöglich, er stürzte auf mich zu, schlug mir mit der Faust auf die Brust, zog eine Pistole heraus, hielt sie mir schreiend an die Stirn und brüllte: Rowdy! Du Scheißkerl! Schau genau hin, ich gehöre zu den Truppen des Ausnahmezustands! Kein Mucks, beim geringsten Mucks lege ich dich um!
    LIAO YIWU:
    Die wilden Tiere waren in der Stadt.
    DONG SHENGKUN:
    So ging das bis zum 14 . Juni, dann wurde ich in das Untersuchungsgefängnis Nr. 7 gebracht, ein Ort für Schwerverbrecher, es hieß, dass die mit nur gut zehn Jahren gar nicht hierher kamen. Aber damals war ich noch nicht trocken hinter den Ohren und glaubte, nach der gerichtlichen Vernehmung würden sie mich ein paar Tage einsperren, bis sich die Gesellschaft ein wenig stabilisiert hätte, und mich wieder freilassen.
    LIAO YIWU:
    So naiv waren Sie?
    DONG SHENGKUN:
    Ich war noch nie im Gefängnis. In der Zelle ist mir dann klargeworden, dass ich einer von denen war, die eine von den drei Höchststrafen hatten (das hieß Todesstrafe, Todesstrafe auf Bewährung und lebenslänglich). Erst da habe ich herumgeschrien: Alles aus! Alles aus! Ich konnte nichts essen, ich konnte nicht schlafen, ich starrte vor mich hin, spitzte die Ohren, mein Gehirn war nicht zu kontrollieren, es drehte sich den ganzen Tag im Kreis. Meine Frau, mein gerade erst auf die Welt gekommenes Kind, meine Eltern, was konnte ich tun, auf der Schwelle des Todes? Allen erzählen, dass ich kein Rowdy war? Dass ich vor lauter Patriotismus zwei Poliertücher angezündet hatte?
    LIAO YIWU:
    Haben Sie einen Anwalt engagiert?
    DONG SHENGKUN:
    Das haben die zu Hause für mich gemacht. Vor der Verhandlung ist er vorbeigekommen, hat mich rauskommen lassen und mit mir über Gott und die Welt geplaudert. Ich habe mich an ihn geklammert und immer wieder gefragt, ob ich sterben werde? Er hat gesagt, er werde tun, was er könne, ein wenig Hoffnung gebe es immer. Anschließend fragte er mich, ob er meinen Angehörigen etwas ausrichten solle. Mir wären fast die Tränen gekommen, ich dachte doch, er meint mein Vermächtnis. Und sagte, wenn es so stehe, was ich da noch gut sagen könne. Er seufzte und meinte, ich solle ihn nicht missverstehen. Ich sagte, zu Hause die Beziehung zwischen Schwiegermutter und Schwiegertochter sei nicht sonderlich harmonisch, wenn ich ihm also ein Wort für meine Mutter und meine Frau mitgeben könnte, wenn alle Stricke reißen, müsse man in der Familie zusammenhalten und gemeinsam die schwere Zeit überstehen.
    Am Vormittag des 28 . Juni, ich hatte nächtelang nicht geschlafen und schwarze Ringe unter den Augen, wurde ich in einen Gerichtssaal der Mittleren Strafkammer von

Weitere Kostenlose Bücher